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Wissenswertes zum Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz : Datum: , Thema: FAQ

Die berufliche Bildung wird weiter digitalisiert und entbürokratisiert. Außerdem können Personen ohne Abschluss ihre Fähigkeiten anerkennen lassen. Das FAQ beantwortet die wichtigsten Fragen zum Entwurf des Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz (BVaDiG).

© Adobe Stock/Seventyfour

Was genau ist das Feststellungsverfahren im Rahmen des BVaDiG?

Mit dem Feststellungsverfahren können Personen – insbesondere solche, die über keinen formalen Berufsabschluss verfügen – auf Antrag bei einer zuständigen Stelle (zum Beispiel Handwerkskammer) ihre Kompetenzen bewerten und den Umfang ihrer beruflichen Handlungsfähigkeit am Maßstab eines dualen Ausbildungsberufs feststellen lassen. Voraussetzung ist allerdings, dass sie mit ihren Fähigkeiten zumindest den überwiegenden Teil des Berufsbildes abdecken. Sowohl an den Zugang zu diesem Feststellungsverfahren als auch an die eigentliche Überprüfung der beruflichen Handlungsfähigkeit werden hohe Anforderungen gestellt, um die Vergleichbarkeit der Feststellung mit einer regulären Abschlussprüfung zu sichern.

Wesentlich ist, dass Antragstellerinnen und Antragsteller in dem Beruf mindestens die anderthalbfache Zeit der für den Referenzberuf vorgeschriebenen regulären Ausbildungsdauer tätig gewesen sein müssen, für den sie eine Feststellung beantragen. In dieser Zeit muss ihre Tätigkeit das entsprechende Berufsbild nahezu vollständig abgedeckt haben, falls sie die vollständige Vergleichbarkeit anstreben. Nur dann kann das Verfahren überhaupt eingeleitet werden.

Warum braucht man so ein Feststellungsverfahren neben der dualen Ausbildung?

In Deutschland verfügten im Jahr 2021 nach Angaben des Mikrozensus 2,64 Millionen junge Menschen im Alter von 20 bis 34 Jahren über keinen Berufsabschluss. Auf der anderen Seite üben 60 Prozent der Geringqualifizierten in Deutschland eine Facharbeitertätigkeit oder eine Tätigkeit mit noch höheren Anforderungen aus. Diese Personen werden mit den Möglichkeiten der klassischen Berufsausbildung offenbar noch nicht ausreichend zielgruppengerecht erreicht. Bei dieser Lücke setzt das Feststellungsverfahren an.

In Zeiten großer Fachkräfteengpässe ist es das Ziel der Bundesregierung, alle vorhandenen Potenziale zu nutzen. Deshalb zielt der Gesetzentwurf darauf ab, substanzielle berufliche Kompetenzen, die unabhängig von einem formalen Berufsbildungsabschluss erworben wurden, sichtbar und verwertbar zu machen. Damit sollen für diese Personengruppen Anschlüsse an das System der beruflichen Bildung ermöglicht werden (höherqualifizierende Berufsbildung, Ausbildereignung).

Wer ist die Zielgruppe?

Das Verfahren zur Feststellung der individuellen beruflichen Handlungsfähigkeit steht allen Personen offen, die die Zugangsvoraussetzungen erfüllen. Dies sind Personen, die

  1. nicht über einen formalen Berufsabschluss im Referenzberuf verfügen und
  2. dennoch mindestens das Eineinhalbfache der für den Referenzberuf vorgeschriebenen Ausbildungsdauer in dem Beruf tätig waren, für den sie die Feststellung beantragen (Referenzberuf). Darüber hinaus muss der Wohnsitz im Inland liegen oder alternativ ein Teil der einschlägigen Tätigkeit im Inland ausgeübt worden sein.

Aktuelle Studien weisen darauf hin, dass auf dem Markt für Einfacharbeitsplätze die Nachfrage nach Arbeitskräften mit komplexeren (informellen) Qualifikationen zunimmt und ein wachsender Anteil der Geringqualifizierten anspruchsvollere Tätigkeiten oberhalb des Helferniveaus ausübt. Hier werden daher substanzielle Potenziale für das neue Feststellungsverfahren gesehen.

Das können beispielsweise sein:

  • Die Studienabbrecherin mit ausgeprägten Computer-Kenntnissen, die keine Ausbildung absolviert hat und sich ihren Lebensunterhalt mit Programmieren, Webdesign und Ähnlichem verdient, aber irgendwann doch einen formalen Nachweis ihrer Fähigkeiten haben möchte, um beruflich voranzukommen.
  • Die Ehefrau des Firmeninhabers, die (ohne entsprechende Ausbildung) jahrelang die Buchhaltung und andere Büroaufgaben für das Unternehmen erledigt hat.
  • Die Migrantin, die über keinen im Ausland erworbenen formalen Berufsabschluss, aber über substanzielle Berufserfahrung aus ihrem Heimatland verfügt, mangels Sichtbarkeit aber hier nur fachfremde Helfertätigkeiten (zum Beispiel im Lager) ausübt.
  • Eine Person mit Behinderung, die aufgrund ihrer Behinderung keine Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf und auch keine Fachpraktikerregelung nach § 66 BBiG absolvieren kann, aber in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung signifikante berufliche Fähigkeiten erworben hat.

Entwertet ein solches Verfahren nicht die Ausbildung?

Durch das Erfordernis einer Berufstätigkeit im Umfang der anderthalbfachen Dauer der regulären Ausbildungsdauer im Referenzberuf ist das Feststellungsverfahren auf die Gruppe der Berufserfahrenen zugeschnitten. Mit Helfertätigkeiten, Jobben, oder Ähnlichem ist das notwendige Abdecken des Berufsbildes des Referenzberufes und damit der Erwerb der Berufspraxis und der Zugang zum Feststellungsverfahren nicht möglich.

Es ist daher keine Alternative für Jugendliche, die vor der Frage stehen, ob sie eine Ausbildung aufnehmen sollen oder nicht. In einer dualen Ausbildung wird die notwendige berufliche Handlungsfähigkeit „tagesfüllend“ strukturiert und an den sich ergänzenden Lernorten Schule und Betrieb durch Ausbilderinnen und Ausbilder zügig und zielgerichtet vermittelt. Die Regelausbildungsdauer kann verkürzt werden, so dass für leistungsstarke Jugendliche, zum Beispiel mit bestimmten Schulabschlüssen oder Vorerfahrungen, kein Leerlauf entsteht. Eine reguläre Ausbildung ist daher gegenüber dem Erwerb beruflicher Handlungsfähigkeit durch Berufspraxis immer der planbarere, schnellere, sicherere und einfachere Weg.

Die ausgewogenen Zulassungskriterien (insbesondere die anderthalbfache einschlägige Berufserfahrung) stellen sicher, dass einerseits individuelle Leistungen anerkannt und berufsbildungsrechtlich anschlussfähig gemacht werden können, andererseits aber auch der notwendige systemische Abstand zur Erstausbildung gewahrt bleibt.

Wie wird die Qualität der Abschlüsse gesichert?

Wenn die individuelle berufliche Handlungsfähigkeit vollständig vergleichbar ist mit derjenigen, die Absolventinnen und Absolventen des Referenzberufs haben müssen, wird ein öffentlich-rechtliches Zeugnis über die vollständige Vergleichbarkeit ausgestellt. Danach können direkt Fortbildungen (etwa zum Bachelor Professional) begonnen oder die Ausbildereignung erworben werden. Selbst ein Meister in einem zulassungspflichtigen Handwerk kann mit einem Jahr zusätzlicher Berufspraxis als Feststellungsabsolvent angestrebt werden.

Am Arbeitsmarkt kann die Absolventin oder der Absolvent ohne weiteres mit seinem öffentlich-rechtlichen Zeugnis belegen, dass er, beziehungsweise sie, über alle notwendigen Kompetenzen verfügt, um als Fachkraft eingesetzt zu werden.

Wer nicht die vollständige, sondern nur die überwiegende Vergleichbarkeit seiner beruflichen Handlungsfähigkeit zeigen konnte – oder von vorneherein nur die überwiegende Vergleichbarkeit angestrebt hat – erhält bei entsprechendem Erfolg eine öffentlich-rechtliche Bescheinigung über diese überwiegende Vergleichbarkeit. Dieser Bescheid weist genau aus, was schon beherrscht wird und was noch zur vollständigen Vergleichbarkeit fehlt. Die Bescheinigung kann unmittelbar am Arbeitsmarkt verwendet werden. Sie berechtigt zusätzlich zu einem Ergänzungsverfahren, in dem die Feststellung der vollständigen Vergleichbarkeit erreicht werden kann, wenn die fehlenden Kompetenzen etwa durch weitere Tätigkeit oder in einer privaten, beziehungsweise durch die Bundesagentur für Arbeit geförderten Qualifizierung, zusätzlich erworben wurden.

Eine Qualitätssicherung erfolgt, indem das neue Feststellungsverfahrens in die bestehenden organisatorischen Prüfungsstrukturen bei den zuständigen Stellen (zum Beispiel Handwerkskammern) eingebettet wird. Die Feststellerinnen und Feststeller kommen aus dem regulären Prüferpool der zuständigen Stellen. Der Zugang und die Durchführung des Verfahrens liegt ebenfalls bei den Handwerkskammern beziehungsweise den jeweils zuständigen Stellen. Durch den Einsatz zweier Personen aus dem Prüferpool werden das rechtlich erforderliche 4-Augen-Prinzip, die Parität der Sozialpartnerschaft und das Ehrenamt des Prüfungswesens gesichert. Zugleich wird durch den Einsatz bereits berufener Personen als Feststeller und Beisitzer der bürokratische Einsatz für das Verfahren minimiert. Die Einbettung in diese bewährten Strukturen sichert die hohe Qualität des Verfahrens. So haben die Feststellerinnen und Feststeller beispielsweise eine klare Vorstellung davon, welche Anforderungen an eine vollständige Vergleichbarkeit zu stellen sind und gewährleisten, dass 1:1 die qualitativen Anforderungen an die Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten wie bei Ausbildungsabsolventen vorliegen.

Warum gibt es keine Altersgrenze?

Anders als in den vorangegangenen Projekten Valikom und Valikom Transfer gibt es bei der nunmehr gesetzlichen Verankerung des Feststellungsverfahrens keine Altersgrenze. Eine feste Altersgrenze für den Zugang zum Feststellungsverfahren ist vor dem Hintergrund europa- und verfassungsrechtlicher Vorgaben nicht umsetzbar.

Durch die anderthalbfache einschlägige Berufserfahrung werden zugleich faktisch nur Menschen eines bestimmten Lebensalters erreicht (durchschnittliches Alter bei Ausbildungsbeginn 2021: 20 Jahre; dies wäre in der Regel der früheste Beginn für den alternativen Erwerb der anderthalbfachen beruflichen Handlungsfähigkeit). Zudem dauert der Erwerb der beruflichen Handlungsfähigkeit im Arbeitsprozess typischerweise länger als eine Ausbildung, denn der reguläre Berufsalltag ist anders als in einer Ausbildung nicht auf den Erwerb der beruflichen Handlungsfähigkeit, sondern auf das Erledigen der Arbeitsaufgaben ausgerichtet.

Außerdem ist das Erfordernis der Berufstätigkeit das sachnähere und geeignetere Kriterium als eine starre Altersgrenze, um den Zugang zu beschränken und Fehlanreize zu vermeiden. Eine starre Altersgrenze wäre verfassungsrechtlich zwar geeignet, um „einen Abstand zu einer regulären Berufsausbildung“ herzustellen, sie wäre aber gegenüber dem Erfordernis einer einschlägigen Berufspraxis nicht erforderlich, da dies das milderes Mittel ist um einen solchen Abstand zu organisieren.

Ist ein Inkrafttreten zum 1. Januar 2025 nicht übereilt? Wie sollen dies die Kammern umsetzen?

Die meisten Regelungen zum Feststellungsverfahren gelten ab dem 1. Januar 2025. Bereits im Jahr 2015 hat das BMBF gemeinsam mit den Kammern aus Industrie, Handel und Handwerk mit ValiKom, sowie nachfolgend seit 2018 mit ValiKom Transfer, die Entwicklung und Erprobung eines abschlussbezogenen Validierungsverfahrens für informell und non-formal erworbene berufliche Kompetenzen gefördert. Dabei wurde für ausgewählte Berufe ein standardisiertes Validierungsverfahren konzipiert und erprobt. Bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben können die zuständigen Stellen somit auf die langjährigen Erfahrungen aus den Projekten ValiKom und ValiKomTransfer zurückgreifen.

Seit dem Projektbeginn von Valikom im Jahr 2018 bis zum 31. Dezember 2023 wurden bei den Handwerkskammern in sechs Jahren insgesamt 798 Verfahren (bei allen zuständigen Stellen 2.853) durchgeführt. Im Hinblick auf diese moderaten Fallzahlen ist zum Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung nicht mit einer Überforderung der Kammern zu rechnen. Dennoch werden für die Zukunft erhebliche Potenziale gesehen, so dass ein sukzessiver Anstieg der Verfahren u begrüßen wäre. Dieser bietet den Kammern die Möglichkeit, sich schrittweise darauf einzustellen.

Um die Umsetzung zu erleichtern, kann die dem Verfahren zugrundeliegende Verordnung bereits zum 01. August 2024 in Kraft treten. Das BMBF ist hier bereits im Austausch etwa mit Vollzugsverantwortlichen (auch aus dem Bereich des Handwerks), um eine zügige Erarbeitung und Verabschiedung der Verordnung zu ermöglichen.

Wie ist für Feststellungsabsolventen der Zugang zum Meister geregelt?

Bei der Meisterprüfung in zulassungspflichtigen Gewerken gewährleistet ein zusätzliches Jahr Berufspraxis nach erfolgreichem Abschluss des Feststellungsverfahrens die Berücksichtigung der entsprechenden Besonderheiten. Für nicht zulassungspflichtige Gewerke gilt wie für alle anderen Abschlüsse der höherqualifizierenden Berufsbildung der unmittelbare Anschluss für Feststellungsabsolventinnen und -absolventen.

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