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 U_CODE: Alle machen mit  : , Thema: Preisträger 2021

Demokratischen Partizipation bei der Gestaltung von Stadträumen: Das europäische Forschungsprojekt U_CODE macht es möglich. Es bezieht Bürgerinnen und Bürger in städtebauliche Vorhaben ein. Nun sollen auch die Jüngsten von U_CODE abgeholt werden.

Wissenschaftler mit Bevölkerung vor Screen
Dank U_CODE wird die Bevölkerung in städtebauliche Vorhaben einbezogen – das funktioniert fast überall auf der Welt, wie hier in Südasien © WISSENSARCHTEKTUR Laboratory of Knowledge Architecture der TU Dresden

Bürgerinnen und Bürger sollen sich besser und kreativer an städtebaulichen Projekten beteiligen können – daran arbeitet das Team um Prof. Jörg Rainer Noennig von der Technischen Universität (TU) Dresden. Lange bevor „mandatierte“ Stadtplanerinnen und -planer, also etwa Architektinnen und Architekten, die im Auftrag von Behörden tätig sind, ihre Pläne der Öffentlichkeit vorstellen, kommen sie mit Anwohnerinnen und Anwohnern ins Gespräch. In einem virtuellen Raum, der zum Austausch einlädt. Mit Hilfe digitaler Werkzeuge, die an der TU Dresden am „WISSENSARCHTEKTUR Laboratory of Knowledge Architecture“ entwickelt wurden, können auch Laien eigene stadtplanerische Ideen ausprobieren. Das funktioniert Prof. Jörg Rainer Noennig zufolge nicht nur intuitiv mit wenigen Klicks, sondern macht sogar noch großen Spaß. Tausende bringen ihre Ideen ein, diskutieren diese und idealerweise führt das Miteinander von Profis und Bürgerinnen und Bürgern zu einer Bebauung von Plätzen, Straßenzügen und Stadträumen, die auf einem breiten gesellschaftlichen Konsens beruhen.

Eskalationen bei Bauprojekten vermeiden

Der Bahnhofsumbau Stuttgart 21 oder auch der geplante Bau von Stromtrassen zeigen, welches   Konfliktpotenzial in großen Bauvorhaben steckt. Anwohnerinnen und Anwohner, Umweltschützerinnen und Umweltschützer, Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Politik haben teilweise widersprüchliche Interessen. Fühlt sich die Öffentlichkeit nicht ausreichend in die Planungsprozesse eingebunden, kann es zu massiven Protesten, Klagen und Verzögerungen kommen. „Um Abhilfe zu schaffen, haben wir gemeinsam in Europa geforscht und Methoden und Prozesse entwickelt, die die Einbindung der Bevölkerung ermöglichen und dabei helfen, Eskalationen zu vermeiden“, sagt Prof. Jörg Rainer Noennig. Die Vision des europäischen Forschungsprojekts „U_CODE: Urban Collective Design Environment“ ist längst Realität geworden.

Dresden und Nairobi setzen auf das Know-how der TU

Zum Beispiel in Dresden, wo im vergangenen Jahr eine städtebauliche Studie zum Fritz-Foerster-Platz inklusive Bürgerbeteiligung auf den Weg gebracht wurde. Dort in der Dresdner Südvorstadt laufen vier sechsspurige Autostraßen zusammen – ein Verkehrsknotenpunkt, den man möglichst schnell verlassen will. Das soll sich in Zukunft ändern, wenn es nach den 11.000 Beiträgen der Nutzerinnen und Nutzern des U_CODE-„Onlinetools“ geht, die vor allem Vorschläge zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität zusammengetragen haben. Dafür hat sich das Stadtplanungsamt das Know-how der Technischen Universität Dresden gesichert. Nicht nur in Dresden, auch in Kenias Hauptstadt Nairobi ist Prof. Jörg Rainer Noennig ein gefragter Gesprächspartner. Aktuell unterstützt sein Team die Friedrich-Ebert-Stiftung dabei über ihr „Just Cities-Programm“ die Lebensbedingungen in der Vier-Millionen-Metropole zu verbessern. Denn Städte sind weltweit, und so auch in Afrika von zentraler Bedeutung für den Prozess des wirtschaftlichen und sozialen Wachstums und der Innovation. Mit Hilfe von U_CODE soll das Konzept einer sozialen, integrativen und gerechten Stadt Realität werden. Politisch Verantwortliche sowie Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft und der Gewerkschaft tauschen sich aus zu bezahlbarem Wohnraum, fairem und sauberem öffentlichen Verkehr und bürgerschaftlichem Engagement im städtischen Raum.

Interaktive Design-Werkzeuge für Beteiligungsprozesse

Das Forschungsprojekt U_CODE ist von 2016 bis 2019 über „Horizont 2020“, dem  Forschungsrahmenprogramm der EU, gefördert worden. Koordiniert wurde es vom „WISSENSARCHITEKTUR Laboratory of Knowledge Architecture“ an der Technischen Universität Dresden. Sieben Partner brachten ihre wissenschaftliche und stadtplanerische Expertise in ein Konsortium ein. Durch das enge Zusammenwirken von Forschungseinrichtungen in Deutschland (TU Dresden), Frankreich (ISEN Toulon) und in den Niederlanden (TU Delft) konnte State-of-the-art Forschung zur Bürgerbeteiligung mit avancierten, digitalen Werkzeugen zusammengeführt und weiterentwickelt werden. Die Einbindung von europäischen und internationalen Industrieunternehmen wie etwa „Conject“, „Aconex“ oder „Oracle“ wie auch dem deutschen Architektur- und Planungsbüro gmp Gerkan, Marg und Partner, das vielzählige Projekte im europäischen Raum umsetzte, erlaubt die direkte Übersetzung in den Markt für intelligente partizipative Planungswerkzeuge. Und hier entsteht nicht nur in den europäischen Demokratien eine immer größere Nachfrage. Gemeinsam ist es gelungen, zentrale Lücken in der Forschung zu Beteiligungsprozessen in der Stadtplanung zu schließen. Darüber hinaus stellt U_CODE eine Toolbox bereit, die interaktive Design-Werkzeuge zur Erzeugung architektonisch-stadträumlicher Ideen umfasst. Gleichzeitig bietet sie Analyseinstrumente zu deren algorithmischen Auswertungen. Diese Open Source-Applikationen werden flankiert von digitalen Werkzeugen zur öffentlichen Präsentation, Bewertung und Diskussion der kreativen Ergebnisse.

Schulen und Planungsämter im spielerischen Wettbewerb

Mit der finanziellen Förderung durch den Ralf-Dahrendorf-Preis für den Europäischen Forschungsraum (EFR) soll das Forschungsthema nun deutschlandweit bekannter werden. Dafür initiiert das U_CODE-Team eine digitale Roadshow. In fünf Städten sollen Planungsämter und Schulen zusammengebracht werden. „Geplant sind Design-Flashmobs, wo kurz und spontan innerhalb eines Zeitfensters Ideen gesammelt werden. Diese sollen dann in einem ,Designathon‘ von zwei Gruppen möglichst kreativ umgesetzt werden. Das ist ein spielerischer Wettbewerb, der beide Welten – Schule und Planungsamt – zusammenbringt“, beschreibt Prof. Jörg Rainer Noennig. „Für konkrete ,Design-Challenges‘ aus dem Kontext der jeweiligen Städte entwickeln sie prägnante und experimentelle Vorschläge, die über konventionelle Planungsverfahren hinausgehen.“

INFOBOX

Sie wollen mehr wissen über das Projekt U_CODE? Auf der Website der TU Dresden finden Sie weitere Informationen.