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LeibnizKILabor entwickelt KI-Lösung für Brustkrebs : Datum: , Thema: Internationale Zukunftslabore

Chemotherapie oder Operation? Bei Patientinnen mit Brustkrebs müssen Ärztinnen und Ärzte die bestmögliche Behandlung auswählen. Aber welche ist das? Das KI-Modell des LeibnizKILabors soll ihnen bei der Antwort auf diese Frage helfen.

© Phovoir

Im Sommer 2020 haben Forschende des LeibnizKILabors ihre neuen Räume im Zentrum von Hannover bezogen. Hier entwickeln sie seitdem KI-Modelle für die Personalisierte Medizin, die Ärztinnen und Ärzten dabei helfen, eine Erkrankung richtig zu diagnostizieren oder einen Verlauf vorherzusagen. „Wir wollen ein digitales Werkzeug entwickeln, dessen Vorhersagen nicht nur für den einzelnen Patienten richtig, sondern auch zuverlässig und interpretierbar sind“, erklärt Dr. Megha Khosla, die das LeibnizKILabor bis Februar 2022 koordinierte. Sie macht es an einem Bild deutlich: „Wenn ich der Maschine ein Bild von einer Katze zeige, dann muss sie zuverlässig erkennen können, dass es eine Katze ist, auch wenn ich die Augenfarbe der Katze verändere.“ Darüber hinaus soll der Arzt oder die Ärztin nachvollziehen können, warum das Modell eine bestimmte Vorhersage gegeben oder eine bestimmte Diagnose gestellt hat. Seit März 2022 koordinieren Dr. Cameron Pierson und Dr. Zhao Ren das Labor. 

Beispiel Brustkrebs – oder der Baum der Antworten

Was die KI konkret leisten kann, zeigen Forschende von LeibnizKILabor im Anwendungsfall Brustkrebs. Dabei arbeiten sie im Projekt „Netzwerk Brustkrebs Hannover" mit Medizinerinnen und Medizinern der Medizinischen Hochschule Hannover zusammen. Ihr Ziel: Faktoren für den Therapieerfolg bei Patientinnen mit Brustkrebs bestimmen. Dafür werten sie Daten von rund 5.000 Patientinnen aus. Im ersten Schritt fließen Anamnesedaten der Patientinnen und ihrer Familien ein: das sind beispielsweise die Tumormerkmale, Therapiedaten, Daten zu Nachuntersuchungen und Überleben, genetische Informationen oder sozioökonomische Daten. Besonderes Augenmerk legen die Forschenden dabei auf den Zusammenhang zwischen sozioökonomischen Aspekten wie Bildung und Migrationshintergrund und dem Therapieerfolg.

Danach „rechnet“ das KI-Modell verschiedene Therapieoptionen durch, es wägt also automatisch ab, welche Behandlung für eine bestimmte Patientin die beste ist. Dadurch wird eine gezielte und personalisierte Therapie ermöglicht und die Frage beantwortet, ob bei dieser Patientin eine neoadjuvante Therapie (nicht-operative Behandlung wie etwa Chemotherapie) oder eine Operation die besten Erfolgsaussichten hätte.

Das Besondere dabei: Das LeibnizKI-Team verwendet für die Vorhersage komplexere Modelle als bisher üblich – Decision Trees zum Beispiel oder Deep Learning. Das eigentliche Modell bildet der so genannte Knowledge Graph (Wissensgraph): Hier werden alle vorliegenden Daten geordnet und je nach Beziehung zueinander verknüpft. Vorstellen kann man sich den Graphen als ein Netz aus Punkten, die durch Linien miteinander verbunden sind. Gefüllt mit Daten von mehreren Tausend Patientinnen, kann der Graph sogar Fragen in natürlicher Sprache „beantworten“ wie etwa: Welche Therapie ist die beste für Patientin X?

Decision Tree

Bei dem „Entscheidungsbaum“ handelt es sich um ein KI-Verfahren, das auf einem Algorithmus (vereinfacht gesagt, einer Arbeitsanweisung für die Maschine mit mehreren Schritten) beruht. Am Ende soll die Maschine selbst die bestmögliche Entscheidung treffen. Das geschieht, indem sie eine Reihe von Fragen durchgeht und diese beantwortet. Stellt man sich eine Frage als einen Zweig vor, dann gehen von diesem Zweig mehrere mögliche Antworten (z. B. „ja“ oder „nein“) als Verzweigungen ab, die zur nächsten Frage führen.

Eine wichtige Rolle spielen für das Labor in diesem Zusammenhang ethische Fragen. Schließlich geht mit dem Einsatz der Modelle des maschinellen Lernens als Entscheidungsunterstützungssysteme im Gesundheitswesen eine große Verantwortung einher. Daher macht sich das Team Gedanken über Fragen wie:

  • Auf welchen Gebieten dürfen medizinische KI-Systeme genutzt werden?
  • Wie müssen sie angewandt werden?
  • Welche Patientendaten liegen dem System zugrunde?
  • Welche Auswirkungen hat die Arbeit mit den KI-Systemen auf Patientinnen und Patienten, das Gesundheitswesen und die gesamte Gesellschaft?

 Wichtig sind diese Fragen auch deshalb, weil die Gefahr besteht, dass maschinelle Lernwerkzeuge, die im Gesundheitswesen eingesetzt werden, Vorurteile reproduzieren und verstärken.

Datenhunger gestillt

Doch bevor das Team ihr KI-Modell trainieren konnte, musste es noch eine ganz grundlegende Herausforderung meistern. „Eines unserer größten Probleme waren die Datenressourcen. Deep Learning ist sehr datenhungrig. Ist die Datenbasis zu klein, kann die ganze Bevölkerung damit nicht repräsentiert werden“, sagt Dr. Khosla. Um Daten von der Medizinischen Hochschule Hannover oder dem Michael J. Fox Institut für Parkinson zu bekommen, musste das Team viele Anträge ausfüllen und lange Prozesse in Kauf nehmen. Mittlerweile liegen aber die meisten Daten vor oder sind auf dem Weg. Die Forschungsgruppen rund um die Anwendungsfälle haben sich nun zusammengefunden und erste Publikationen veröffentlicht, Modellversuche laufen.

Dr. Khosla ist froh darüber, dass sie Mitglied des KI-Labors ist und dass das Bundesforschungsministerium das Projekt unterstützt. „Ohne die Förderung war es uns bislang nicht möglich, die unterschiedlichen Kompetenzen zusammenzubringen“, sagt sie. Zwar hat sie zuvor in einem medizinischen Projekt gearbeitet. „Doch nun haben wir mit dem Lab die Chance, all die schlauen Köpfe zu vereinen und konkrete Probleme innerhalb einzelner Anwendungsfälle zu lösen.“ Auf lange Sicht wünscht sich Dr. Khosla, dass das LeibnizKILabor sich zu einer zentralen Anlaufstelle für KI-Lösungen in der Personalisierten Medizin entwickelt. „Das wäre ein großer Erfolg.“