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Offshore-Windenergie: Forschung macht „schwimmende Riesen“ stabil : Datum: , Thema: Forschung

Schwimmende Offshore-Windenergieanlagen sind Hoffnungsträgerinnen für eine nachhaltige Energieversorgung. Noch ist die Technologie aber sehr teuer. Ein europäisches Forschungsteam möchte das ändern.

Offshore-Windkraftanlage
Offshore-Windpark © Adobe Stock / nuttawutnuy

Offshore-Windenergie wird für eine klimaneutrale und unabhängige Stromversorgung in Deutschland und in der Europäischen Union immer wichtiger. Sowohl die Bundesregierung, als auch die Europäische Kommission streben daher an, die Energieerzeugung auf dem Meer massiv auszubauen. So soll die EU-weit installierte Leistung von Offshore-Windkraftanlagen bis 2030 um das Fünffache ansteigen: von rund 12 Gigawatt im Jahr 2020 auf mindestens 60 Gigawatt.

Schwimmende Offshore-Windenergieanlagen zählen dabei zu den wichtigsten Hoffnungsträgerinnen. Im Vergleich zu anderen Arten von Windenergieanlagen können sie stärkere Winde nutzen, die in größerer Entfernung von der Küste wehen. Schwimmende Anlagen können daher besonders viel Energie erzeugen, auch grüner Wasserstoff lässt sich damit produzieren. In Ländern, in denen Flächen mit geringer Meerestiefe beschränkt sind – zum Beispiel Spanien, Japan oder die Westküste der USA – kommen außerdem nur schwimmende Windenergieanlagen in Frage.

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Wissen: Schwimmende Offshore-Windenergieanlagen

Offshore-Windanlagen sind Windanlagen im offenen Meer. Es gibt zwei Arten: Anlagen, die fest im Meeresboden verankert sind und schwimmende Anlagen, die mit Ankerleinen am Meeresboden befestigt werden.

Fest verankerte Anlagen sind bereits im Einsatz. Sie sind zum Beispiel in der Nord- und Ostsee verbreitet. Bei schwimmenden Anlagen dagegen ist die Technologie noch nicht so weit fortgeschritten. Aktuell forschen Unternehmen und wissenschaftliche Einrichtungen weltweit an verschiedenen Konzepten.

Im Vergleich zu fest verankerten Anlagen lassen sich schwimmende Anlagen auch in größerer Entfernung von der Küste und bei Wassertiefen von über 50 Metern installieren. Das bringt zwei Vorteile: Zum einen werden dadurch weltweit viel mehr Flächen verfügbar, um die Offshore-Windenergie auszubauen. Zum anderen können schwimmende Anlagen Winde nutzen, die weiter draußen auf dem Meer wehen. Diese sind oft stärker und konstanter als in Küstennähe.

Das Potenzial von schwimmenden Offshore-Windenergieanlagen ist daher sehr groß. Allerdings ist die entsprechende Technologie noch nicht ausgereift. "Die größte Herausforderung sind die Kosten", sagt Professor Po Wen Cheng von der Universität Stuttgart. „Die Rotorblätter der Windräder haben einen Durchmesser von 240 bis 250 Meter. Die Rotorfläche ist größer als sieben Fußballfelder. Für manche der aktuellen Konzepte benötigt man Stahlrohre, die über 1.000 Tonnen wiegen.“ Da man so viele Ressourcen brauche, sei es aktuell noch sehr teuer, solche „schwimmenden Riesen“ zu installieren und zu betreiben.

Genau hier hat ein deutsch-spanisches Forschungsteam mit dem Eurostars-Projekt „CROWN“ angesetzt. Der Windenergie-Experte Cheng war daran beteiligt: "Wir haben nach Lösungen gesucht, um die Bewegungen von schwimmenden Anlagen zu minimieren. Denn das hilft letztlich dabei, die Kosten zu senken."

Ein Flüssigkeitsdämpfer und moderne Sensorik sorgen für mehr Stabilität

Durch Wind und Wellen wirken weit draußen auf dem Meer sehr große Kräfte auf die schwimmenden Offshore-Windenergieanlagen. Das führt dazu, dass sie sich neigen oder im schlimmsten Fall sogar kippen. Das wirkt sich auf die Energieproduktion aus. Denn diese hängt von der Angriffsfläche des Rotorblattes ab. Neigt sich die Anlage hin und her, wird diese Fläche nicht nur kleiner, sondern auch weniger konstant.

Die Forschenden haben daher das Modell eines Flüssigkeitsdämpfers entworfen und erfolgreich getestet. Der Flüssigkeitsdämpfer befindet sich innerhalb der Plattform, die die Windturbine trägt, und ist unter Wasser. Dort wirkt er mit seiner sich bewegenden Flüssigkeitsmasse den Neigungen der Anlage entgegen. Die zusätzliche Dämpfung stabilisiert die schwimmende Anlage. "Damit bleibt die Energieproduktion konstanter. Zudem wird es möglich, leichtere Anlagen zu bauen", sagt Professor Cheng

Eine weitere Innovation des Forschungsteams ist eine Software-Applikation von der Firma sowento, der sogenannte „Real-time observer“. Moderne optische Sensoren liefern dabei wichtige Informationen, zum Beispiel wie stark und aus welcher Richtung der Wind weht. Die Software macht es möglich, die Anlage in Echtzeit zu regeln. So lässt sich etwa der Winkel der Rotorblätter passgenau ausrichten, um die großen Kräfte auszugleichen, die auf die schwimmende Anlage wirken. Auch das sorgt für mehr Stabilität.

Vom Labormaßstab zum Markt

Das Ergebnis des „CROWN“-Projekts ist ein skaliertes Testmodell einer schwimmenden Offshore-Windenergieanlage im Labormaßstab 1:36. Es ist damit 4,4 Meter hoch, ein Viertel davon befindet sich unter Wasser. Bei Tests in einem Wellenbecken konnten die Forschenden nachweisen, dass ihr Modell die Bewegung durch Wind und Wellen tatsächlich minimiert. Der nächste Schritt ist es nun, einen Prototyp zubauen und in einer realen Umgebung zu testen, etwa im Mittelmeer.

Skaliertes Testmodell einer schwimmenden Offshore-Windenergieanlage beim Test im Wellenbecken
Skaliertes Testmodell einer schwimmenden Offshore-Windenergieanlage beim Test im Wellenbecken © IH Cantabria

Ob sich schwimmende Offshore-Windenergieanlagen auf dem Markt durchsetzen werden? Der Experte Cheng hält das für sehr wahrscheinlich, denn die notwendigen Technologien dafür sind vorhanden. Für die kommenden Jahre prognostiziert er einen weltweiten Wettlauf der Hersteller und Konzeptdesigner, die das eigene Konzept auf dem Weltmarkt durchzusetzen versuchen. Niemand wisse genau, welcher Typ von schwimmenden Anlagen letztlich auf dem Markt erfolgreich sein wird. "Die großen Energiekonzerne beteiligen sich an mehreren der aktuellen Konzepte – natürlich in der Hoffnung, auf das Richtige zu setzen. Es ist ein spannendes Rennen. Mit unseren Projektergebnissen tragen wir dazu bei, dass die Technologie reifer und rentabler wird."

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Prof. Dr. Po Wen Cheng, Professor für Windenergie
Bereits seit seinem PhD-Studium an der Technischen Universität Delft forscht Po Wen Cheng zum Thema Offshore-Windenergie. Seit 2011 ist er Professor an der Universität Stuttgart. Dort leitet er den Stuttgarter Lehrstuhl für Windenergie, der 2004 als erster universitärer Lehrstuhl in diesem Bereich von der KSG Stiftung gestiftet wurde.
Im vom BMBF geförderten Eurostars-Projekt „CROWN“ haben Prof. Cheng und sein Team mit mittelständischen Unternehmen aus Deutschland und Spanien zusammengearbeitet. Mit ihrer Kooperation stärken die Partnerinnen und Partner den Transfer von der Forschung zur Anwendung.