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BOF bringt Zugewanderte in die betriebliche Ausbildung

Bei einem Berliner Heizungsbauer absolvieren Teilnehmer des Programms „Berufsorientierung für Flüchtlinge“ ein Praktikum und eine Ausbildung. Viele Akteure leisten ihren Beitrag, damit die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt gelingt.

„Es kann nicht jeder nur darüber meckern, dass es keine Leute gibt, man muss auch aktiv werden,“ so Geschäftsführer Lucien Aicher, der mit seinem Betrieb am BOF Programm teilnimmt
„Es kann nicht jeder nur darüber meckern, dass es keine Leute gibt, man muss auch aktiv werden,“ so Geschäftsführer Lucien Aicher, der mit seinem Betrieb am BOF Programm teilnimmt © Julia Kreuzer

Das Gelände liegt etwas versteckt zwischen dem Teltowkanal, der an dieser Stelle die Grenze zwischen Berlin und Brandenburg bildet, und dem Zehlendorfer Stichkanal. Hier, im Berliner Südwesten in Lichterfelde, ist der Heizungsbauer Onasch zuhause.

Der alteingesessene Betrieb – die Firma gibt es seit 1863 – beschäftigt seit einiger Zeit zwei Teilnehmer des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Programms Berufsorientierung für Flüchtlinge, kurz BOF.

Während Hagos Gebremichael ein Praktikum als Anlagenmechaniker macht, absolviert Abolfazl Mizban schon seit September 2018 im Anschluss an einen BOF Kurs eine Ausbildung in diesem Beruf. Das Unternehmen sucht wie viele andere Berliner Betriebe aus der SHK-Branche (Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik) händeringend Fachkräfte.

Eigentlich wollte er Koch werden

 „Wir sind 2018 von der Innung SHK Berlin angesprochen worden, ob wir uns vorstellen könnten, Praktika für BOF-Teilnehmende anzubieten. Das ist bei uns auf offene Ohren gestoßen“, erzählt der Geschäftsführer Lucien Aicher bei einem Kaffee im Büro und schiebt hinterher: „Es kann nicht jeder nur darüber meckern, dass es keine Leute gibt, man muss auch aktiv werden“.

Der Wille, etwas bewegen und vorwärts kommen zu wollen, ist auch in den Gesprächen mit Hagos Gebremichael und Abolfazl Mizban zu spüren. Abolfazl Mizban, der aus dem Iran stammt, befindet sich am Ende seines ersten Ausbildungsjahres zum Anlagenmechaniker SHK.

Nach Deutschland kam Abolfazl Mizban 2016. Nach einem Integrationskurs kam der junge Iraner über seinen Vermieter zur Innung SHK Berlin. Eigentlich wollte er zunächst als Koch anfangen, weil er im Iran sieben Jahre in einem italienischen Restaurant gearbeitet hatte.

Weil er nach wie vor handwerklich tätig sein wollte und mitbekam, dass in Berlin viele Anlagenmechaniker gesucht werden, entschied er sich für den BOF-Kurs bei der Innung SHK Berlin: „BOF habe ich vier Monate gemacht. Wir haben sehr viel gelernt: Biegen, Schweißen, Löten. Nach der Maßnahme habe ich ein Praktikum (bei der Onasch GmbH, Anm. d. Red.) gemacht“, berichtet Abolfazl Mizban in fließendem Deutsch.

Die Entscheidung für den Beruf des Anlagenmechanikers hat der junge Mann, der mit seiner Frau und dem gemeinsamen Kind in Zehlendorf wohnt, nicht bereut: „Ich arbeite gerne mit Kunden und kann im Kundendienst viele Leute kennenlernen. Manchmal bin ich auch auf Baustellen. Diese Abwechslung gefällt mir.“

Zufriedenheit herrscht auch auf der anderen Seite, bei Lucien Aicher. „Abolfazl Mizban fragt viel nach, ist sehr wissbegierig und lässt sich selbst Redewendungen erklären, was ja auch nicht immer einfach ist“, lacht der Chef. Motivation, weiß Lucien Aicher, ist ohnehin der alles entscheidende Faktor für das Gelingen von Arbeitsmarktintegration.

Die Innung beschäftigt einen eigenen Coach

Ein anderer entscheidender Faktor dafür, dass aus BOF-Teilnehmenden Auszubildende werden, ist die enge Betreuung während des Programms – aber auch darüber hinaus. So sind Abolfazl Mizban und Hagos Gebremichael immer freitags zum Fach- und Sprachunterricht in der Innung. Der Berufsverband verfügt im Berlin-Mitte-Ortsteil Gesundbrunnen über eine der modernsten Ausbildungsstätten für das SHK-Handwerk.

Die Innung beschäftigt für das BOF-Programm einen eigenen Coach. Monika van Aart ist eigentlich gelernte Verpackungsmittelmechanikerin, aber seitdem die Druckbranche im Umbruch ist, arbeitet sie in der Beratung und Weiterbildung von Menschen.

Ihr Arbeitsalltag ist je nach Programmphase sehr unterschiedlich: „Wenn die Teilnehmenden in den Werkstatttagen sind, dann geht es in den ersten Wochen um ein gemeinsames Kennenlernen, darum, ein Verhältnis aufzubauen, und auszuloten, wo es noch Unterstützungsbedarf neben der Sprache und beruflichen Fragen gibt“.

In der zweiten Hälfte der Werkstatttage erstellt Monika van Aart zusammen mit den Teilnehmenden die Lebensläufe und kümmert sich darum, einen Praktikumsplatz für die Geflüchteten zu akquirieren. Anschließend begleitet sie die Teilnehmenden zu den Bewerbungsgesprächen. Hat alles, so wie bei Hagos Gebremichael, geklappt, wird der Praktikumsvertrag geschlossen und die Betriebsphase kann beginnen.

In diesem letzten Abschnitt des BOF-Programms warten erneut andere Aufgaben auf den Job-Coach: „Ich halte Kontakt zu den Betrieben und frage nach, wie der Start gelaufen ist. Ich dokumentiere den Fortschritt und schaue, wer Potenzial für eine Ausbildung hat und bei wem ich Alternativen ins Auge fassen muss“.

Nach dem Praktikum wartet die Ausbildung

Ein zusätzlicher Deutschkurs wird bei Hagos Gebremichael nicht nötig sein. Der Eritreer lebt seit 2015 in Deutschland. In Berlin hat Hagos Gebremichael zunächst ein Praktikum als Altenpfleger gemacht. Auch wenn ihm das gut gefallen habe, so wolle er doch lieber handwerklich arbeiten, erzählt er.

Auf das BOF-Programm wurde Hagos Gebremichael über einen Freund aufmerksam, der den Kurs schon durchlaufen hatte. Die Entscheidung hält er auch im Nachhinein für eine gute Wahl: „Die handwerkliche Arbeit gefällt mir sehr gut. Die Leute im BOF sind sehr nett und helfen uns auch bei privaten Fragen“.

Das Praktikum bei Onasch gefällt ihm so gut, dass er hier seine Ausbildung machen möchte: „Ich arbeite gerne auf einer Baustelle. Dort kann man viel lernen und sehen, wie man etwas von Anfang bis Ende machen kann. Die Mitarbeiter bei Onasch sind alle sehr nett“, berichtet Hagos Gebremichael, der nebenher gerade seinen Führerschein macht.

Die Übernahmequote von BOF-Teilnehmenden, die den Kurs abgeschlossen haben, in eine Ausbildung oder Einstiegsqualifizierung ist bundesweit mit 46 Prozent hoch. Doch viele Herausforderungen bestehen in der Ausbildung weiter. Deshalb gibt es in Berlin das Programm „Arrivo“, einen Zusammenschluss verschiedener Projekte und Angebote zur Integration geflüchteter Menschen in den Berliner Ausbildungs- und Arbeitsmarkt.

Andreas Koch-Martin, Geschäftsführer der Innung SHK Berlin, hält Arrivo, das in der Regel jeweils über 18 Monate läuft, für einen wichtigen Baustein einer nachhaltigen Arbeitsmarktintegration: „Das ist eine wirklich wunderbare Ergänzung. Das Schöne bei uns ist, dass wir eine personelle Kontinuität herstellen können. Die Teilnehmenden haben im BOF-Kurs Coaches kennengelernt, die sie in der Ausbildung über Arrivo weiter begleiten.“

Vor der Ausbildung steht allerdings das BOF-Programm. „BOF ist für uns der Start in einer Bildungskette, die sich aus mehreren Aspekten zusammensetzt. BOF ist für die Geflüchteten der erste wirkliche Aufschlag, um berufliche Praxis in Deutschland kennenzulernen“, streicht Andreas Koch-Martin die Bedeutung des Programms heraus: „Es geht nicht darum, dass wir irgendwelche Maßnahmen im Haus machen. Bei uns trägt BOF dazu bei, Fachkräftesicherung zu betreiben“, betont der Geschäftsführer.

Auf welche Weise das BOF-Programm in Maßnahmen der Fachkräftegewinnung eingebunden ist, erklärt Dr. Stephanie Irrgang, die sich bei der Innung SHK Berlin um die Öffentlichkeitsarbeit kümmert. „Neben BOF haben wir auch Angebote explizit für Abiturientinnen und Abiturienten sowie junge Frauen. Wir bedienen aktiv unterschiedliche Zielgruppen und machen ihnen Angebote.“

Vor dem ersten BOF-Kurs im Jahr 2017 musste die Innung noch die Werbetrommel rühren, so Stephanie Irrgang, aber inzwischen sei das Programm so gut bekannt und das eigene Netzwerk so weit ausgebaut, dass sich viele Geflüchtete und Zugewanderte direkt bei der Innung melden.

Nicht mehr schulpflichtige Flüchtlinge wie Hagos Gebremichael und Abolfazl Mizban werden über Jobcenter, Arbeitsagenturen und Beratungseinrichtungen erreicht. Institutionalisierte und informelle Netzwerke bestimmen also maßgeblich den Erfolg des Programms.

Daneben gibt es weitere Voraussetzungen, damit BOF-Teilnehmende eine Ausbildung absolvieren können: „Sie müssen engmaschig begleitet werden, aber auch selbst Voraussetzungen mitbringen: Dazu gehört im Beruf des Anlagenmechanikers Technikbegeisterung, aber auch ausreichende Sprachkenntnisse, ein geklärter Aufenthaltsstatus und eine Arbeitserlaubnis. Auf der anderen Seite braucht es Betriebe, die sich auf Geflüchtete und Zugewanderte einlassen und kultur- sowie sprachsensibel vorgehen.“

Hilfe bei privaten Fragen und Behördengängen

Bei Abolfazl Mizban, Hagos Gebremichael und dem Heizungsbauer Onasch sind all diese Voraussetzungen erfüllt. Mit Monika van Aart steht den beiden Geflüchteten jemand zur Seite, der auch bei privaten Fragen und Behördengängen hilft. Der Weg für eine erfolgreiche Integration der beiden jungen Männer scheint geebnet. Genauso wie das Programm „Berufsorientierung für Flüchtlinge“ einen nennenswerten Beitrag zur Fachkräftesicherung bei Heizungsbauer Onasch im Besonderen und in der SHK-Branche im Allgemeinen leisten kann.

„Mein Zukunftswunsch ist es, meine Ausbildung bei Onasch zu machen“, sagt Hagos Gebremichael. Auch sein Kollege Abolfazl Mizban sieht seine Zukunft in Lucien Aichers Betrieb: „Ich würde gerne bei Onasch arbeiten. Mir gefällt es hier, ich kann viel lernen.“ Lucien Aicher würde die beiden BOF-Teilnehmer gerne behalten: „Unser Ziel ist es, jungen Menschen eine vernünftige Ausbildung zu vermitteln und unsere Auszubildenden zu übernehmen“.

Dr. Stephanie Irrgang sieht in der Unterstützung von Betrieben und Geflüchteten sowie Zugewanderten eine Daueraufgabe: „Der zukünftige Bedarf ist mehr als gegeben, wenn nicht nur Geflüchtete teilnehmen, sondern auch Zugewanderte mit besonderem Förderbedarf. Dieses ist seit Mitte 2019 in BOF möglich. Dass Betriebe und Geflüchtete sowie Zugewanderte die Ausbildungszeit ohne besondere Förderung überstehen, ist nur in den seltensten Fällen möglich. Gerade kleine Betriebe brauchen eine Unterstützung und sie brauchen Träger, Verbände und Institutionen, die sie professionell betreuen“.