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Pilze für die Bioökonomie : Datum: , Thema: FungiColor

Ständerpilze bereichern unsere Wälder und Speisezettel. Darüberhinaus versprechen die einzigartigen Lebewesen aber auch nachhaltige Produkte für eine biobasierte Wirtschaft. So entwickelt das Forschungsprojekt FungiColor beispielsweise Bio-Farben für die Industrie.

 Zitronen-Seitling gedeiht auf Substrat
Zitronen-Seitling gedeiht auf Substrat © Fraunhofer UMSICHT/Leandra Hamann

Gemeinhin denkt man bei Pilzen an einen Stiel mit Hut. Doch das ist nur der sichtbare Fruchtkörper des Lebewesens, das weder Tier noch Pflanze ist. Darunter, in der Erde oder etwa im Holz, verbirgt sich ein großes fadenförmiges Zellgeflecht. Jene feinen Pilzmycele können bis zu neun Quadratkilometer anwachsen. Das Zellgeflecht der Ständerpilze, von den Wissenschaftlern Basidomyceten genannt, kann sehr viele hoch interessante Stoffe für die Industrie produzieren – unter anderem biologisch abbaubare Farben. Sie sind Schatzkästchen für Biotechnologen, weil „Basidomyceten die höchstentwickelten, noch kultivierbaren Mikroorganismen sind“, erklärt Professor Ralf Günter Berger, Leiter des Instituts für Lebensmittelchemie an der Leibniz Universität Hannover. Anders als primitivere Organismen können sie von Natur aus eine ungeheure Fülle an verschiedenen Substanzen produzieren.

Im Projekt FungiColor sucht der Wissenschaftler und sein Team nach Wegen, die Bio-Farbstoffe der Pilze in hoher Ausbeute und daher wirtschaftlich zu gewinnen: „Es werden händeringend Naturfarbstoffe gesucht, die Nachfrage ist dringlich.“ Erst kürzlich habe er eine Anfrage eines großen deutschen Farbenherstellers gehabt. Die Industrie sucht nach Ersatz für die weitverbreiteten synthetischen Azofarben. Diese sind schlecht abbaubar und belasten daher die Umwelt. Einige, inzwischen in der EU =Europäische Union verbotene Vertreter, erwiesen sich als krebserregend. Für Berger steht fest, dass konkurrenzfähige Biofarben „zwei- bis dreimal teurer als Azofarben sein dürfen – aber nicht zehn- oder hundertmal mehr“.

Pilzfarben benötigen weder Ackerland, Pestizide noch Dünger

Das Projekt betreibt insbesondere Bioprozesstechnik, um in großen Reaktionsgefäßen, den Fermentern, die Pilzmycelien kostengünstig und in großen Mengen zu züchten. Fest steht bereits heute laut Berger: „Die Kultivierung ist beherrschbar“. Zudem arbeiten die Forscherinnen und Forscher des Projektes an Verfahren, die Pilzfarben lichtecht und waschfest zu machen, in dem die Farbstoffe etwa in eine schützende Matrix eingebettet werden.

Damit wären die Pilzfarben auch vielen traditionellen Pflanzenfarben überlegen. Ihnen gegenüber bieten sie zusätzlich ein Bündel an Vorteilen. Farbstoff liefernde Pflanzen wie etwa Färberkamille oder Indigo „lassen sich einmal oder bestenfalls zweimal im Jahr ernten“, erklärt der Biotechnologe. Dagegen gedeihen die Pilzmycelien das ganze Jahr in den Reaktionsbehältern. „Dort wachsen die Zellen unbegrenzt, Tag und Nacht, ob in Deutschland oder andernorts. Wir brauchen keine Äcker, keinen Dünger oder Pestizide.“ Die Pilzzucht im Fermenter ist vom Wetter unabhängig; auch der Klimawandel kann sie nicht beeinträchtigen.

Mit Pilzen Kreislaufwirtschaft ermöglichen

Gleichzeitig wachsen die Pilze auf Abfällen, „die in der Lebensmittelproduktion in großen Volumina entstehen, aber derzeit nur unbefriedigend verwertet werden“, beschreibt Berger. Das sind etwa Kartoffelschalen aus der Produktion von Pommes frites oder Getreide-Spelzen. Diese können in der Pilzzucht wieder als wertvolle Rohstoffe dienen – ganz im Sinne der Bioökonomiestrategie der Bundesregierung. Ihr Ziel ist eine Kreislaufwirtschaft, die alle Stoffströme nutzt und keine Abfälle mehr kennt. Dies soll eine umfassende Transformation hin zu einer biobasierten Wirtschaft ermöglichen – gleichzeitig nachhaltig und wirtschaftlich.

In einem ersten Schritt ist in dem Projekt FungiColor geplant, die Pilzfarben etwa in Hautcremes oder Textilien einzusetzen. Mithilfe dreier Industriepartner steht indes auch auf dem Arbeitsplan, konkurrenzfähige Produkte zu den meist genutzten erdölbasierten Azofarben zu entwickeln. Dabei arbeiten die Forschenden an Lasuren, die durch eine Decklasur geschützt werden können. Schon ein kleiner Anteil am gigantischen Umsatz der Farbstoffindustrie dürfte sich lohnen: Er beträgt global mehr als 25 Milliarden Euro.

Bereits mehr als 30 Patente im Vorfeld des Projektes FungiColor belegen die Anwendungsorientierung der Arbeitsgruppe in Hannover. Die parallele Grundlagenforschung an den Ständerpilzen verspricht, weiteres Potenzial für die Bioökonomie zu erschließen. Das Vorhaben vermittelt neue Einsichten in Mechanismen und Regulation des Pilz-Stoffwechsels, in dem viele weitere wertvolle Substanzen wie etwa Duft-, Konservierungs- oder Geschmacksstoffe gebildet werden. Ein tiefer gehendes Verständnis des Stoffwechsels könnte der Schlüssel zu einer effektiven Biotechnologie der Basidomyceten werden.

Das Projekt „FungiColor"

Natürliche Farbstoffe aus Ständerpilzen“ ist an der Leibniz Universität Hannover am Institut für Lebensmittelchemie angesiedelt und wurde von Oktober 2019 an für ein Jahr lang vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund 78.000 Euro gefördert. Für die im Februar 2021 begonnene zweijährige Machbarkeitsphase wurden weitere 163.000 Euro bewilligt. FungiColor ist Teil der Fördermaßnahme „Neue Produkte für die Bioökonomie“.