Navigation und Service

Logo Bundesministerium für Bildung und Forschung

Größtes Fischbrutgebiet entdeckt : Datum: , Thema: Polarforschung in der Antarktis

Forschende haben etwa 60 Millionen Nester antarktischer Eisfische auf 240 Quadratkilometern im Weddellmeer nachgewiesen. „Der Fund kann einen wichtigen Beitrag für die Umweltschutzaufgaben in der Antarktis leisten“, sagt Ministerin Stark-Watzinger.

Im Süden des antarktischen Weddellmeers hat das Forschungsteam tausende Nester von Eisfischen der Art Neopagetopsis ionah am Meeresboden gefunden. © Alfred-Wegener-Institut / PS124 AWI OFOBS Team

Nahe des Filchner-Schelfeises im Süden des antarktischen Weddellmeers hat ein Forschungsteam das weltweit größte bislang bekannte Fischbrutgebiet gefunden. Ein geschlepptes Kamerasystem fotografierte und filmte tausende Nester von Eisfischen der Art Neopagetopsis ionah am Meeresboden. Die Dichte der Nester und die Größe des gesamten Brutgebiets lassen auf eine Gesamtzahl von etwa 60 Millionen Eisfischen schließen, die während der Untersuchungen dort nisteten. Dies unterstützt den Vorschlag, ein Meeresschutzgebiet im atlantischen Sektor des Südlichen Ozeans einzurichten. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forschenden des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Current Biology.

Fischbrutgebiet im antarktischen Weddellmeer.

Mit einem "Ocean Floor Observation and Bathymetry System" fanden die Forschenden die Eisfisch-Nester am Meeresboden.

: Video : 01:47

Polarstern ist schwimmende Plattform für die Wissenschaft

Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger gratulierte den beteiligten Forscherinnen und Forschern zu ihrem faszinierenden Fund: „Die deutsche Meeres- und Polarforschung hat damit nach der MOSAIC-Expedition 2019 einmal mehr ihre herausragende Bedeutung unter Beweis gestellt. Die deutschen Forschungsschiffe sind schwimmende Labore der Umweltforschung. Sie sind in den Polargebieten und auf den Ozeanen fast pausenlos als Plattformen für die Wissenschaft unterwegs, um wichtige Erkenntnisse für den Umwelt- und Klimaschutz zu gewinnen. Durch die Förderung des Bundesforschungsministeriums verfügt die deutsche Meeres- und Polarforschung über eine der modernsten Forschungsflotten weltweit. Der Fund kann einen wichtigen Beitrag für die Umweltschutzaufgaben in der Antarktis leisten. Hierfür wird sich das BMBF auch im Rahmen der UN-Dekade der Ozeanforschung für nachhaltige Entwicklung, die noch bis 2030 läuft, weiter einsetzen“, so die Ministerin.

Hochgerechnet ergibt sich eine Gesamtzahl von etwa 60 Millionen Fischnestern im untersuchten Gebiet. © Alfred-Wegener-Institut / PS124 AWI OFOBS Team

Die Kartierung des Gebietes, in dem die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Februar 2021 mit dem Forschungsschiff „Polarstern“ die Fischnester fanden, lässt auf eine Gesamtausdehnung von 240 Quadratkilometern schließen, das entspricht ungefähr der Größe der Insel Malta. Hochgerechnet auf diese Gebietsgröße ergibt sich eine geschätzte Gesamtzahl von etwa 60 Millionen Fischnestern. Dass ein solch riesiges Brutgebiet von Eisfischen im Weddellmeer bisher unentdeckt war, ist besonders faszinierend, da das Alfred-Wegener-Institut mit dem Eisbrecher Polarstern die Region bereits seit Anfang der 1980er Jahre erforscht. Bislang konnten hier nur einzelne Neopagetopsis ionah oder kleinere Ansammlungen von deren Nestern nachgewiesen werden.

60 Tausend Tonnen Eisfisch

Die einzigartigen Beobachtungen gelangen mit einem sogenannten OFOBS. Die Abkürzung steht für Ocean Floor Observation and Bathymetry System, also Ozeanboden Beobachtungs- und Bathymetriesystem. Es ist ein Kameraschlitten, der entwickelt wurde, um den Meeresboden in Extremumgebungen wie eisbedeckten Regionen zu untersuchen. Es wird an einem speziellen Glasfaser- und Stromkabel über den Meeresboden geschleppt, für die aktuelle Studie in etwa drei Metern über dem Grund mit einer Geschwindigkeit von bis zu drei Knoten (5,6 Stundenkilometer).

Kombiniert haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Ergebnisse mit ozeanographischen und biologischen Daten. Ergebnis: Das Brutgebiet stimmt räumlich mit dem Einstrom von warmem Tiefenwasser aus dem Weddellmeer auf den höher gelegenen Schelf überein. Mithilfe besenderter Robben gelang es dem multidisziplinären Team außerdem nachzuweisen, dass die Region auch ein beliebtes Ziel von Weddellrobben ist. 90 Prozent der Robben-Tauchaktivitäten fanden in der Region aktiver Fischnester statt, wo sie vermutlich auf Nahrungssuche gingen. Kein Wunder, kalkulieren die Forschenden die Biomasse der Eisfischkolonie dort auf 60 Tausend Tonnen.

Wahrscheinlich die räumlich umfangreichste zusammenhängende Fischbrutkolonie

Dieses riesige Brutgebiet ist mit seiner Biomasse ein äußerst wichtiges Ökosystem für das Weddellmeer und nach aktuellem Stand der Forschung wahrscheinlich die räumlich umfangreichste zusammenhängende Fischbrutkolonie, die bisher weltweit entdeckt wurde. Die Entdeckung zeigt, wie wichtig internationale Bemühungen sind, Meeresschutzgebiete (MPA) einzurichten. Ein Vorschlag für ein solches MPA für Teile des Weddellmeeres wurde unter der Leitung des Alfred-Wegener-Instituts erarbeitet und wird seit 2016 von der Europäischen Union und ihren Mitgliedsstaaten sowie weiteren unterstützenden Ländern in der internationalen Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR) vertreten. „Leider ist das MPA im Weddellmeer immer noch nicht einstimmig von der CCAMLR verabschiedet worden. Aber jetzt, da der Standort dieser außergewöhnlichen Brutkolonie bekannt ist, sollten Deutschland und andere CCAMLR-Mitglieder dafür sorgen, dass dort auch in Zukunft keine Fischerei und ausschließlich nicht-invasive Forschung stattfindet“, ordnet AWI-Direktorin Antje Boetius die Ergebnisse der Studie ein.