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Mit Forschung gegen Dürre und Wüstenbildung : Datum: , Thema: klimaforschung

40 Prozent der Erdoberfläche sind von Wüstenbildung bedroht. Dies gefährdet die Lebensgrundlagen von hunderten Millionen Menschen. Wie sich Wüstenbildung verhindern lässt, erläutert Prof. Guy Midgley von der Universität Stellenbosch in Südafrika.

Prof. Guy Midgley in einer Blumenwiese in der Nähe von Hopefield, an der Westküste Südafrikas. Er forscht in der BMBF-Initiative SASSCAL (Southern African Science Service Centre for Climate Change and Adaptive Land Management) und beschäftigt sich mit der
Prof. Guy Midgley in einer Blumenwiese in der Nähe von Hopefield, an der Westküste Südafrikas. Er forscht in der BMBF-Initiative SASSCAL (Southern African Science Service Centre for Climate Change and Adaptive Land Management) und beschäftigt sich mit der Bekämpfung der Wüstenbildung © Jessie Yuill, University of Stellenbosch

Herr Midgley, Sie forschen an der Universität Stellenbosch in Südafrika im Rahmen der BMBF-geförderten Maßnahme SASSCAL zu Wüstenbildung (Desertifikation) und Dürre. Welche Erkenntnisse haben Sie bisher gewonnen? Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptursachen für Wüstenbildung?

Es gibt neue Forschungsergebnisse, aus denen sich gewisse Muster des Rückgangs und der Zunahme der Vegetationsdecke im südlichen Afrika erkennen lassen. Diese stehen im Zusammenhang mit mittel- und langfristigen Veränderungen im Wasserhaushalt, also der Wasserverfügbarkeit, mit kurz- und langfristigen Verschiebungen der klimatischen Bedingungen und der Art der Landnutzung durch den Menschen. Es gibt viel Spielraum für das Management einer nachhaltigen Nutzung in dieser Region. Wenn wir verstehen, wie die verschiedenen Faktoren zusammenwirken und wenn wir tatsächlich mit den Kräften der Natur arbeiten, können wir die Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme und der menschlichen Lebensgrundlagen in dieser Region unterstützen.

Besonders das südliche Afrika leidet derzeit unter starkem Wassermangel. In Namibia verwandeln sich ganze Graslandschaften in Wüsten. Wie kam es aus naturwissenschaftlicher Sicht zu dieser Wasserknappheit?

Ich denke, wir müssen vorsichtig sein, von einem eindeutigen Signal der Wüstenbildung über weite Gebiete auszugehen. Die Situation ist viel differenzierter: Wasserknappheit in städtischen Regionen ist sehr häufig eine Folge von Ungleichgewichten zwischen Angebot und Nachfrage, aber Wasserknappheit beziehungsweise Dürren in Ökosystemen wird durch Regenmangel verursacht und kann durch eine Übernutzung, die die Energieressourcen der Vegetation zusätzlich aufbraucht, noch verschlimmert werden. Diese Effekte kommen über Monate bis Jahre zusammen und sind eine Reaktion auf natürliche Klimaschwankungen und den vom Menschen verursachten Klimawandel.

Der Klimawandel ist einer der größten Treiber der Wüstenbildung. Wie kann dieser Teufelskreis durchbrochen werden und wie können wir verhindern, dass sich zum Beispiel Graslandschaften in Wüsten verwandeln?

In subtropischen Breiten können Grasland und exponierte Böden die Sonneneinstrahlung effektiv in den Weltraum zurückreflektieren, was zu einem Kühleffekt führt. Die Versuchung, Bäume auf natürlichem Grasland zu pflanzen, kann hier deshalb zu negativen Auswirkungen führen, da diese Art von Aufforstung eine stärkere Erwärmung, einen höheren Wasserverbrauch und eine Verringerung der Weideflächen für Viehzüchter verursachen kann. Grasland kann Trockenstress widerstehen, aber wir müssen mit dieser Widerstandsfähigkeit arbeiten und nicht gegen sie. Wir dürfen Graslandschaften nicht übermäßig ausbeuten.

Ihre Forschung konzentriert sich vor allem auf das südliche Afrika. Sind Ihre Erkenntnisse auch auf andere Regionen übertragbar? Welche Art von Forschung brauchen wir noch, um die Wüstenbildung zu bekämpfen?

Die meisten subtropischen Grasland-Regionen sind mit ähnlichen Bedrohungen konfrontiert wie die im südlichen Afrika. Deshalb könnte ein Austausch von Informationen zwischen Forschenden und Interessenvertreterinnen und -vertretern aus diesen Regionen sehr nützlich sein. Die Gräser des südlichen Afrikas sind in Australien und im Südwesten der USA invasiv. Sie könnten deshalb hochintensive und neuartige Waldbrände begünstigen und damit negative Auswirkungen auf die Ökosysteme haben. Wir müssen deshalb systemübergreifend zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Ökosysteme nachhaltig bewirtschaftet werden und das im Hinblick auf ihre Widerstandsfähigkeit, auf die Optimierung ökologischer Störungsregimes, die Biodiversität und ihr Nutzungsgrad.

Nicht nur der Klimawandel verursacht Wüstenbildung und Landdegradation, sondern auch menschliche Eingriffe in die Natur. Was können wir tun, um die aktuellen Trends zur weiteren Desertifikation einzudämmen und die Situation möglicherweise wieder umzukehren? Was können wir als Einzelne tun, um die Wüstenbildung zu bekämpfen?

Wir müssen die Zusammenhänge zwischen Wüstenbildung, menschlicher Landnutzung und menschlichen Bedürfnissen genauer verstehen. Vor allem die Tatsache, dass dies weder eine einfache Herausforderung ist, noch als einfacher Trend dargestellt werden kann. Die Vorhersage von Wirkungen in solchen Systemen im Hinblick auf eine nachhaltige Nutzung erfordert ein integriertes Verständnis von sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und ökologischen Aspekten. Wir müssen uns davor hüten, in grob vereinfachende Lösungen zu investieren, die sich als schädlich erweisen könnten. Und wir müssen vor allem die Nutzung fossiler Brennstoffe beenden, um die langfristigen Bedrohungen dieser Systeme wirklich zu reduzieren.

Herr Midgley, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Zur Person

Prof. Guy Midgley forscht auf dem Gebiet der Ökologie (Botanik und Zoologie) und beschäftigt sich seit den 1980er Jahren wissenschaftlich und politisch mit Umweltfragen, zunächst bei SANBI (Südafrikanisches Nationalinstitut für Biodiversität) und seit 2014 als Professor an der Universität Stellenbosch in Südafrika. Seine Hauptarbeitsgebiete sind Pflanzenökophysiologie, Biogeographie und Artenspektren, Populationsdemographie und -ausbreitung, Aspekte der Systemökologie einschließlich ihrer Störungen sowie die globale Ökologie. Seit 1990 arbeitet er zudem an Fragen des Klimawandels: So war er einer der koordinierenden Hauptautoren für den 4., 5. und jetzt für den 6. Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC) und für den globalen Bericht des Weltbiodiversitätsrates (IPBES).