17. GAIN-Jahrestagung
Rede der Staatssekretärin im Bundesministerin für Bildung und Forschung, Cornelia Quennet-Thielen, in San Francisco
Rede der Staatssekretärin im Bundesministerin für Bildung und Forschung, Cornelia Quennet-Thielen, in San Francisco
Es gilt das gesprochene Wort
Liebe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler,
die Wissenschaft steht vor der Herausforderung, ihren Platz in der Gesellschaft zu behaupten: Ihre Bedeutung für Mensch, Umwelt, Wirtschaft und Innovation ist nicht mehr überall Konsens.
Sind das vielleicht Gegenreaktionen darauf, dass Staat, Wirtschaft und Gesellschaft wie nie zuvor von wissenschaftlicher Erkenntnis und technologischer Entwicklung geprägt und auf sie angewiesen sind? Das gilt nicht nur für technologische Errungenschaften, es gilt für das wissenschaftliche, empirische Denken allgemein, das unser Leben und Handeln durchdringt.
Umso mehr steht die Wissenschaft in der Verantwortung, sich der gesellschaftlichen Debatte zu stellen und sich aktiv Gehör zu verschaffen: Interesse, Verständnis, ja Begeisterung für Forschung zu wecken, ist eine vornehme Aufgabe von Wissenschaft selbst. Je besser dies gelingt, umso höher die Chance, dass Wissenschaftler in ihrer Rolle als Expertinnen und Experten in der Gesellschaft akzeptiert und geschätzt werden. Umso höher die Chance, dass rationales Denken prägend bleibt.
Amerikanischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gelingt es immer wieder hervorragend, ihren Anliegen Gehör zu verschaffen. Die USA sind ein lebendiger, dynamischer Wissenschaftsstandort, und sie werden es bleiben. Deutschland hat ein hohes Interesse an einem starken Forschungspartner USA. Hier werden Trends gesetzt und Durchbrüche erzielt, die die Wissenschaften weltweit befruchten.
Wir werden die großen Herausforderungen der Gegenwart nur mit Hilfe der Wissenschaft und nur in internationaler Zusammenarbeit bewältigen können. Das gilt für den Klimaschutz oder die Ernährung der Menschheit wie für Mobilität oder die alle durchdringende Digitalisierung. Und die Hochschulen sind eben nicht nur Forschungs-, Bildungs-und Ausbildungsstätten, sondern auch gesellschaftliche Experimentierfelder, Inkubatoren für Ideen, Foren der Diskussion und der Meinungsvielfalt.
Damit die Hochschulen und die Forschungsorganisationen diesen Aufgaben gerecht werden können, brauchen sie gute Rahmenbedingungen und eine auskömmliche und verlässliche Finanzierung. Dafür steht das Bundesministerium für Bildung und Forschung, dafür steht die Bundesregierung in Deutschland zusammen mit den Ländern, und zwar nicht erst seit gestern, sondern seit über einer Dekade: Während andere Länder in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise die Förderung von Wissenschaft und Forschung zurückgefahren haben, haben wir sie ausgebaut:
In den letzten 10 Jahren hat die Bundesregierung ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung um 70% gesteigert; der Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hat sich in dieser Zeit auf jetzt 17,6 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Wir fördern Grundlagenforschung ebenso wie angewandte Forschung, Geisteswissenschaften ebenso wie Natur- und Lebenswissenschaften, und auch die sogenannten kleinen Fächer haben bei uns ihre attraktiven Förderchancen. Wir werden die große Vielfalt der Fächer und Disziplinen bewahren.
Wir tragen dazu bei, dass das deutsches Wissenschaftssystem eines der leistungsstärksten und vielfältigsten der Welt ist. Über Parteigrenzen hinweg gilt in Deutschland die Überzeugung: Wissenschaft lebt von Offenheit, Toleranz und Freiheit des Denkens.
All dies macht deutlich: Es gibt gute Gründe, um in Deutschland zu forschen, zu lehren und zu lernen.
Lassen Sie mich kurz die Maßnahmen nennen, mit denen wir in den vergangenen Jahren jede Menge Möglichkeiten für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland geschaffen haben:
Wir werden außerdem die Internationalisierung unseres Wissenschaftssystems weiter vorantreiben. Das deutsche Hochschulsystem ist international anerkannt und bestens vernetzt. Insgesamt 38% aller Studierenden studieren zeitweise im Ausland. 46.000 deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten dort – wie Sie. Und immer mehr ausländische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erkennen die Stärken des deutschen Wissenschaftssystems, darunter viele international begehrte Spitzenkräfte: An den Hochschulen sind es inzwischen über 43.000 (sprich 11%), in den außeruniversitären Forschungsorganisationen sogar 20%. Weit höher ist die Zahl ausländischer Studierender – rund 340.000 sind es derzeit. Wir heißen Forscherinnen und Wissenschaftler aus aller Welt herzlich willkommen – mögliche Rückkehrer wie Sie und alle, die sich erst neuerdings mit dem Gedanken tragen, nach Deutschland zu kommen. Diese Internationalität ist ein großer Gewinn, denn Kreativität und Gründergeist brauchen Weltoffenheit und Toleranz. Die deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen haben diese Haltung angesichts des Zustroms von Flüchtlingen in den letzten zwei Jahren einmal mehr unter Beweis gestellt – mit vielen zusätzlichen Unterstützungsangeboten und auch großem ehrenamtlichen Engagement.
Hohe Innovationskraft und eine wettbewerbsfähige Wirtschaft gedeihen in einem Umfeld, in dem Wissenschaft und Forschung geschätzt und gepflegt werden, auch wenn sie nicht unmittelbar in marktreife Anwendungen münden. Der Erfolg gibt uns Recht. Deutschland zählt international zu den Innovationsführern und ist zugleich das Land mit der niedrigsten Jugendarbeitslosigkeit in Europa. In diesem Jahr haben wir das Ziel, mindestens 3% des BIP für Forschung und Entwicklung auszugeben, annährend erreicht. Dazu hat die von meinem Ministerium federführend verantwortete Hightech-Strategie der Bundesregierung einen wesentlichen Beitrag geleistet.
In der kommenden Legislatur wollen wir die Latte höher hängen und 3,5% in Forschung und Entwicklung investieren. Zugleich müssen wir in einigen Bereichen deutlich besser werden. Drei Felder will ich kurz anreißen:
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Freiheit und die Vielfalt der Wissenschaft sind ebenso Grundlagen einer besseren Zukunft wie exzellente Ausbildung und Lehre. Die hervorragenden Netzwerke deutscher und amerikanischer Hochschulen sind dafür besonders wertvoll. Sie stärken auch in einer Zeit politischer und gesellschaftlicher Spannungen die transatlantische Partnerschaft.
Am 22. April dieses Jahres haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Studierende und interessierte Menschen in aller Welt mit dem „March for Science“ ein Zeichen für die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre weltweit gesetzt. Zuweilen wird gefragt, ob es zulässig und wünschenswert ist, dass sich Wissenschaft in gesellschaftliche und politische Debatten einmischt. Die Antwort kann nur lauten: Es ist nicht nur zulässig, es ist geboten. Aufgabe der Politik ist es, auf der Grundlage wissenschaftlich gesicherter Erkenntnisse gute Rahmenbedingungen für das Gemeinwesen zu schaffen. Die gewählten Volksvertreter treffen politische Entscheidungen und übernehmen dafür die Verantwortung. Das ist das Wesen der Demokratie. Aber die Debatte geht jeden an und steht jedem offen. Wer sich in vornehmer Zurückhaltung übt, überlässt das Forum denen, die am lautesten schreien, nicht denen, die am meisten zu sagen haben.
Sie, werte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, gehören zu denen, die viel beizutragen haben. Gewinnen Sie neue Erkenntnisse, verschaffen Sie sich dafür Gehör. Und gehen Sie getrost davon aus, dass die Bedingungen dafür in Deutschland ziemlich gut sind.
Vielen Dank.