Master oder Meister?
Ein Gastkommentar zur Attraktivität der beruflichen Bildung von Bundesministerin Johanna Wanka im "Handelsblatt" vom 14.10.2015.
Ein Gastkommentar zur Attraktivität der beruflichen Bildung von Bundesministerin Johanna Wanka im "Handelsblatt" vom 14.10.2015.
In den letzten Monaten haben wieder viele junge Menschen nach dem Schulabschluss ihre Bildungsentscheidung getroffen: Hochschule oder Ausbildung? Verspricht der eine Weg bessere Chancen als der andere?
Die Erwerbslosenquote bei Hochschulabsolventen lag 2013 nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bei 2,5 Prozent - die Gesamtquote hingegen betrug 5,4 Prozent. Und ein Hochschulabsolvent verdient in Deutschland laut OECD über 80 Prozent mehr als jemand mit einem Abschluss im Sekundarbereich II, also Abitur oder einer Berufsausbildung.
Genauso attraktiv ist aber eine Karriere im beruflichen System. Vor allem wenn man mit einem Abschluss zum Meister, Fachwirt oder Techniker ein Niveau erreicht, das einem Hochschulabschluss vergleichbar ist. Hier liegt die Erwerbslosenquote seit 2012 kontinuierlich sogar noch unter der für Hochschulabsolventen, 2013 waren es nur zwei Prozent. Meister verdienen laut OECD knapp 50 Prozent mehr als jemand mit einem Abschluss im Sekundarbereich II.
Die entscheidende Ziffer für die Zukunft unseres gesamten Bildungs- und Qualifizierungssystems ist für mich die der Schulanfänger. Deren Zahl lag im vergangenen Jahr um knapp 14 Prozent unter der von 2004/2005.
Das bedeutet: Die Zeiten, in denen auf der einen Seite Arbeitgeber und Träger sich bei der Besetzung ihrer Angebote auf die Auswahl konzentrieren und auf der anderen Seite die Hochschulen sich auf das „Aussieben" der ihnen zugeteilten jungen Menschen beschränken konnten, dürften bis auf weiteres vorbei sein.
An den Hochschulen sehe ich eine Dynamik wie seit der Bildungsexpansion der siebziger Jahre in Westdeutschland nicht mehr. Der Bund hilft den Ländern mit Milliarden über die Hochschulpakte oder die vollständige Finanzierung des Bafögs bei der Verbesserung der Qualifizierungsangebote an Hochschulen.
Im dualen System sind die Betriebe die Anbieter von Berufsausbildungen. Während Weiterbildung zu 70 Prozent von den Betrieben gefördert wird, werden die aufwendigen - und oft mehrjährigen - Aufstiegsqualifizierungen zu weniger als zehn Prozent finanziell von den Arbeitgebern unterstützt. Bei der Finanzierung einer solchen Aufstiegsfortbildung einschließlich des Lebensunterhalts - wenn für eine Vollzeitfortbildung die Berufstätigkeit unterbrochen werden muss - helfen Bund und Länder seit 1996 daher mit dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG), dem sogenannten Meister-Bafög. Seither wurden rund 1,7 Millionen berufliche Aufstiege zu Fachkräften, Führungskräften und selbstständigen Unter nehmern mit insgesamt rund 6,9 Milliarden Euro ermöglicht.
An diesem Mittwoch werde ich dem Bundeskabinett eine Novelle des Meister-Bafögs mit einem Volumen von mehr als 100 Millionen Euro allein bis 2019 vorschlagen. Damit möchte ich die Leistungen im AFBG verbessern, den Zugang erweitern, die Flexibilität erhöhen sowie die Verfahren modernisieren. Wenn das Gesetz zum August 2016 zusammen mit den Verbesserungen beim Bafög in Kraft tritt, steht dieser Qualifizierungsweg am Ende der Legislaturperiode mehr jungen Menschen als je zuvor offen.