Es ist ein wichtiger Schritt zum besseren Verständnis der sogenannten „Geisterteilchen“: Zum ersten Mal ist es einem internationalen Forscherteam gelungen, die Herkunft eines Neutrinos mit extrem hoher Energie zu ergründen. Das perfekte Zusammenspiel verschiedener Instrumente und Messmethoden hatte die spektakuläre Entdeckung ermöglicht – darunter der Neutrinodetektor „IceCube“ am Südpol, die MAGIC-Teleskope auf La Palma und mehrere Satelliten. Dank dieser sogenannten „Multi-Messenger-Astronomie“ spürten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Ursprung dieses besonderen Teilchens auf: Es stammt aus der Umgebung eines gigantischen Schwarzen Lochs in drei Milliarden Lichtjahren Entfernung.
Gemeinsam die Neutrinogeburtsstätte finden
Die Entdeckung aus dieser umfangreichen Beobachtungskampagne ist ein Meilenstein für die Wissenschaftler. Denn: „Wo und wie die hochenergetischen Neutrinos genau entstehen, war bislang unklar“, sagt Klaus Helbing von der Bergischen Universität Wuppertal, Koordinator des Forschungsverbunds IceCube. Zumindest der Entstehungsort dieses hochenergetischen Neutrinos ist jetzt klar: es ist ein sogenannter Blazar. Was das ist, erklärt Marek Kowalski von der Humboldt-Universität zu Berlin und Leiter der Neutrino-Astronomie des Forschungszentrums DESY: „In unserem Fall haben wir eine aktive Galaxie gesehen, das ist eine große Galaxie mit einem riesigen Schwarzen Loch im Zentrum.“
Weit gereiste Teilchen – Milliarden Jahre durchs All
Das Schwarze Loch in der Mitte der Galaxie ist extrem groß und schwer – und es verschlingt kontinuierlich Materie aus seiner Umgebung. Senkrecht zur Galaxie strahlen gebündelte Teilchen, sogenannte Jets. Der Blazar funktioniert wie eine Art galaktischer Teilchenbeschleuniger. Einer der Jets strahlt genau in Richtung Erde. Die Neutrinos aus diesem Jet fliegen dann Milliarden Jahre durchs All, ungebremst durch Materie und elektromagnetische Felder. Auch unseren Planeten durchfliegen sie, meist ohne auch nur eine Spur zu hinterlassen. Für die Physikerinnen und Physiker ist das zugleich die große Herausforderung: Diesen winzigen Tarnungskünstler dingfest zu machen. Wenn dann gelingt dies nur mit aufwändigen Experimenten, was den aktuellen Erfolg besonders bemerkenswert macht.
Investieren in ein umfassenderes Verständnis
Die Forscherinnen und Forscher hoffen nun, in weiteren gemeinsamen Experimenten noch mehr Entstehungsorte der seltenen hochenergetischen Neutrinos aufzuspüren. Die Forschungsergebnisse liefern ihnen wichtige Erkenntnisse, um beispielsweise Schwarze Löcher und deren Umgebung noch besser zu verstehen. Bereits jetzt sind mehrere Projekte deutscher Universitäten involviert, die das Bundesforschungsministerium mit insgesamt fast 20 Millionen Euro fördert: So ergänzen sich beispielsweise die Messungen am Cherenkov-Teleskop MAGIC und dem Neutrinodetektor IceCube. Mit dem Rahmenprogramm „ErUM - Erforschung von Universum und Materie“ schafft das Bundesforschungsministerium beste Voraussetzungen, um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern den Zugang zu solchen Großgeräten zu ermöglichen.
Neutrinos sind die zweithäufigsten Elementarteilchen im Universum – und zugleich die rätselhaftesten. Obwohl jede Sekunde Milliarden von ihnen auf jeden Quadratzentimeter der Erde gelangen, fliegen sie nahezu ungehindert durch unseren Planeten hindurch. Denn Neutrinos tragen keine elektrische Ladung und sind extrem reaktionsscheu. Sie spielen beispielsweise bei der Energieproduktion im Innern der Sonne und anderer Sterne sowie bei Sternexplosionen, sogenannten Supernovae, eine bedeutende Rolle.