„Smarte Energie – Innovationstreiber der Energiewende?“
Keynote des Staatssekretärs im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Georg Schütte, anlässlich des Wirtschaftstages der Innovationen des Wirtschaftsrates der CDU e.V.

Keynote des Staatssekretärs im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Georg Schütte, anlässlich des Wirtschaftstages der Innovationen des Wirtschaftsrates der CDU e.V.
Es gilt das gesprochene Wort.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Deutschland gehört zu den fünf Ländern, die weltweit am meisten in Forschung und Entwicklung (FuE) investieren.
Dafür sind vor allem die FuE-Ausgaben der Wirtschaft verantwortlich. Nach den aktuellsten Daten des Stifterverbandes vom Dezember 2016 haben deutsche Unternehmen 62,4 Milliarden Euro im Jahr 2015 in FuE investiert. Das entspricht einem Plus von rund 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr und einer Steigerung von über 60 Prozent in den letzten zehn Jahren.
Im selben Zeitraum hat der Bund seine FuE-Ausgaben um 66 Prozent von 9 auf 15 Milliarden Euro gesteigert.
2017 wächst der Etat für Bildung und Forschung weiter auf mehr als 17 Mrd. Euro – ein Rekordetat. Denn wir wissen: Wir stehen vor Herausforderungen, die wir ohne eine leistungsfähige Forschung und mutige Investitionen für neue Technologien nur schwer bewältigen können.
Staat und Wirtschaft haben 2015 gemeinsam das 3%-Ziel erreicht. Darauf können wir stolz sein. Diese Investitionen sind nicht nur materielle Impulse, sondern auch Ausdruck eines grundlegenden Optimismus. Einen solchen Optimismus brauchen wir angesichts zunehmender Unsicherheiten dringend. Dieser zeigt sich glücklicherweise gerade auch in unseren Erfolgsbranchen: Fahrzeug- und Maschinenbau, Chemie- und Pharmaindustrie, IT-Dienstleistungen – alle werden in 2017 eine besonders positive FuE-Dynamik haben.
Wir müssen uns bewusst machen: Unsere wirtschaftliche Stärke haben wir nicht einer glücklichen Fügung des Schicksals zu verdanken. Sie ist vielmehr das Resultat einer engagierten, langfristig ausgerichteten Standortpolitik. So fragt sich das BMBF für seine Forschungs- und Innovationspolitik immer wieder:
Wir wissen: Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand entstehen immer dort, wo bessere Produkte, Dienstleistungen und Verfahren einen Vorteil auf dem Weltmarkt verschaffen. Deutschland ist eine der weltweit führenden Innovationsnationen. Das ist aber kein Selbstläufer. Denn der internationale Innovationswettbewerb ist hochdynamisch. Daher dürfen wir in unseren Anstrengungen nicht nachlassen. Im Gegenteil. Wir müssen noch mehr tun.
Innovationen brauchen wir auch, wenn wir die Energiewende zum Erfolg führen wollen.
Es wird höchste Zeit, die Energiewende auf eine volkswirtschaftlich tragfähige Grundlage zu stellen. Nur dann kann sie zu einem Modell für andere Länder werden. Nur so lassen sich Exportchancen nutzen. Der bisherige Ansatz ist zu teuer und überreguliert. Das Zeugnis, das der Bundesrechnungshof dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zur Energiewende ausgestellt hat, ist eindeutig kein gutes.
Eine rein nationale Brille bei der Energiewende hilft uns in einer durch Wettbewerb geprägten Welt nicht weiter. Wir müssen von anderen in Europa und der Welt lernen.
Wir dürfen nicht so tun, als wenn wir nicht auch von anderen lernen könnten. Jetzt gilt es, die Kosten in den Griff zu bekommen, ohne dabei die Versorgungssicherheit zu gefährden. Nur die Erneuerbaren Energien auszubauen, springt zu kurz. Wir stehen vielmehr vor einem grundlegenden Umbau unserer Energieversorgungs-systeme, aber auch unserer Wirtschaft und unserer Mobilität. Dabei müssen wir den Erfordernissen des globalen Klimawandels genauso Rechnung tragen wie den Anforderungen des Industriestandorts Deutschland. Damit sind ökonomische und technologische Herausforderungen verbunden, aber auch neue Chancen. Wir müssen dabei darauf achten, dass die Kluft zwischen Gewinnern und Verlierern der Energiewende nicht zu groß wird. Bezahlbare Lösungen für eine nachhaltige Energieversorgung werden weltweit gesucht, sind aber vielfach noch nicht verfügbar. Umso wichtiger ist eine zielgerichtete und gut ausgestattete Energieforschungspolitik. Die Forschung ist Motor und Impulsgeber der Energiewende zugleich. Sie bestimmt, welche Lösungsoptionen uns zur Verfügung stehen.
Der Bund hat die Mittel für die Energieforschung kontinuierlich erhöht. Im Jahr 2011 lagen diese noch bei rd. 650 Millionen Euro. Im Jahr 2015 sind rd. 865 Millionen Euro in die Forschung geflossen. Wir nähern uns mittlerweile der Milliarden-Grenze. Die staatliche Förderung der Energieforschung wurde in den letzten 10 Jahren verdoppelt. Die Basis für unsere exzellente und äußerst leistungsfähige Forschungslandschaft bildet dabei die institutionelle Förderung von Helmholtz, Fraunhofer und Max-Planck. Unsere Zentren in Jülich und Karlsruhe sind weltweit für ihre herausragende Energieforschung bekannt.
Sehr geehrte Damen und Herren,
es kommt nicht darauf an, dass möglichst viele an unterschiedlichen Themen arbeiten, sondern die besten Köpfe gemeinsam auf zentrale Fragen fokussiert sind. Das BMBF hat deshalb die Förderpolitik im Energiebereich neu ausgerichtet: Mit den „Kopernikus-Projekten für die Energiewende“ ist uns der zukunftsweisende Brückenschlag zwischen Grundlage und Anwendung gelungen.
Unser Ziel sind Innovationsprozesse, aus denen echte Markterfolge erwachsen. Das schließt explizit disruptive Ansätze ein, die nur in der Grundlagenforschung entstehen können.
Für uns steht aber auch fest: Lösungen im Energiebereich müssen von den Bürgerinnen und Bürgern mitgetragen werden. Eine Politik über die Köpfe der Menschen hinweg ist ebenso wenig möglich wie Lösungen, die nicht die Akzeptanz der Unternehmen finden. Das geht nur, wenn wir die künftigen Anwender so früh wie möglich in die Entwicklung von Förderkonzepten einbeziehen.
Wir setzen konsequent auf einen transdisziplinären Ansatz sowie Dialog- und Agendaprozesse: Zusammen mit allen relevanten Akteuren aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft identifizieren und priorisieren wir die Forschungsbedarfe. Wichtig ist dabei auch, dass wir nicht an den Grenzen von Disziplinen stehen bleiben, sondern vielmehr immer wieder Möglichkeiten eröffnen, um Schnittstellen zwischen verschiedenen Denkwelten zu nutzen.
Die Diskussionen im Forschungsforum Energiewende, unserem Beratungsgremium unter Beteiligung aller Ressorts, haben immer wieder verdeutlicht: auch das Wissen jenseits der Wissenschaft ist für die Wissenschaft relevant. Gerade dieses gesellschaftliche Wissen gilt es mehr denn je zu erschließen und mit der Forschung zu verzahnen. Wir müssen unsere Wissensräume erweitern. Ein solches Wissenschaftsverständnis ist modern und zukunftsgerichtet. Wissenschaft stellt sich so in den Dienst der Gesellschaft. Sie leistet so ihren Beitrag um die Herausforderungen der Energiewende besser zu bewältigen. Das ist ein Mehrwert.
Was heißt das jetzt konkret?
Die „Kopernikus-Projekte“ sind uns von Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft vorgeschlagen worden. Wir haben mehr als 90 Organisationen aus allen gesellschaftlichen Bereichen zu prioritären mittel- bis langfristigen Forschungsbedarfen befragt. Die Kopernikus-Projekte sind die größte Forschungsinitiative der Bundesregierung zur Energiewende: Vier 10-Jahresprojekte mit einer Fördersumme von bis zu 400 Mio. Euro bis 2025.
Im Geiste ihres Namensgebers – dem Mathematiker und Astronom Nikolaus Kopernikus, Schöpfer des heliozentrischen Weltbildes – sollen die Projekte zu einem neuen Verständnis unseres Energiesystems beitragen. Im Fokus stehen dabei vier Schlüsselbereiche der Energiewende:
Die Kopernikus-Projekte sind ein Angebot an Unternehmen, die Forschung von Anfang an mitzugestalten und sich aktiv einzubringen. Wir wissen: Innovation kann nicht verordnet werden. Aber – wir können gemeinsam daran arbeiten, die optimalen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Indem wir die relevanten Akteure in einen Dialog miteinander bringen, indem wir Förderbedingungen so ausgestalten, dass neue Ansätze in Gänze gemeinsam konzipiert und durchdacht werden können – und indem wir ausreichend Mittel zur Verfügung stellen. Und was nicht zu unterschätzen ist, das Politik solche Prozesse moderierend begleitet.
Die Kopernikus-Projekte stellen für uns eine Blaupause für ein innovationsfreundliches Umfeld dar. Durch breit angelegte Forschungsnetzwerke aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft schlagen wir innerhalb von zehn Jahren eine Brücke von der Grundlagenforschung zur Anwendung – und das im systemrelevanten Maßstab.
Zwischenzeitlich sind mehr als 250 Partner beteiligt. Ganz besonders freut uns, dass die Mobilisierung gerade in der Wirtschaft besonders hoch ist. Rund die Hälfte der Partner sind Unternehmen bzw. Institutionen mit Wirtschaftsbezug. Wir haben große Unternehmen, KMUS und Start-Ups sowie Wirtschaftsverbände mit Kopernikus erreicht.
Wir wollen:
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Digitalisierung ist ein Megathema. Mit ihr werden große Chancen verbunden, gerade auch als Treiber für eine kosteneffiziente Umsetzung der Energiewende.
Wenn wir an den regulativen Rahmen hier, aber auch bei der Energiewende generell denken, brauchen wir stärker als bisher eine wissenschaftsbasierte Grundlage. Dies gilt gleichermaßen für neue, künftige Gesetzesvorhaben und für verabschiedete Gesetze. Nehmen Sie das „Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende“, das im letzten Jahr verabschiedet wurde. Damit setzt die Bundesregierung den Rechtsrahmen für die flächendeckende, sukzessive Einführung intelligenter Messsysteme, also von „SmartMetern“ als Grundstein der Digitalisierung der Energieversorgung und intelligenter Netze. Es gibt jedoch nicht wenige Stimmen, die an dem Nutzen zweifeln.
Mit der zunehmenden Digitalisierung der Energiewende gewinnt das Thema Datensicherheit noch mehr an Bedeutung. Ich glaube, eine gute Politik muss eine Balance finden: Datensicherheit und Datenschutz sind ebenso zu berücksichtigen wie die Möglichkeit für neue Geschäftsmodelle.
Erzeugung, Transport, Verteilung, Verbrauch – hier schafft die Digitalisierung neue Möglichkeiten der Flexibilisierung und für mehr Effizienz. Dies gilt es zu nutzen. Beim Umbau des Energiesystems müssen wir stärker als bisher Digitalisierung, Nachhaltigkeit sowie CO2-Verringerung zusammendenken. Wir müssen darauf achten, dass gerade mit der Digitalisierung verbundenen neuen Möglichkeiten nicht durch mangelnde Flexibilität in der aktuellen Regelsetzung ausgebremst werden. Die Entwicklung unserer Städte zu SMART City und den damit verbundenen neuen Möglichkeiten von Mikronetzen der Versorgung eröffnen solche neuen Chancen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Forschung zur Energiewende gehört ganz oben auf die politische Agenda der nächsten Legislatur.
Wir brauchen eine evidenzbasierte Energiepolitik, das heißt wie brauchen eine kontinuierliche Forschung, um die Wirkung von Maßnahmen zu überprüfen. Forschung die beispielsweise mithilft, die relevanten technischen Richtlinien und Standards zu entwickeln sowie die Bedürfnisse der Kunden zu erfassen.
Wir brauchen Forschung, um die bestmöglichen politischen Entscheidungen vorzubereiten. Fakten verbessern die Kritikfähigkeit. Wir dürfen die Energiewende nicht schön reden.
Wir brauchen Forschung, um die Defizite der Energiewende zu analysieren und die weitere Ausgestaltung wissenschaftlich zu fundieren und zu begleiten.
Wir müssen wissen, welche Kosten, Risiken und Nebenwirkungen der Ausbau der Erneuerbaren Energien hat.
Wir müssen wissen, wie es langfristig um die Versorgungssicherheit steht.
Und: Wir müssen wissen, wie wir die Energieversorgung so gestalten, dass sie nahtlos zum Alltag der Nutzer passt.
Wenn wir Treibhausgasneutralität erreichen wollen, brauchen wir eine breite Palette von Optionen und keine Planwirtschaft. Diese wird es aber ohne Forschung nicht geben. Daher leistet das BMBF aktiv Vorsorgeforschung. Dabei stehen wir für Technologieoffenheit. Technologieoffen, da wir nicht wissen, welche Einzeltechnologien am Ende die besten Bausteine für ein nachhaltiges Energiesystem sind. Wir halten Vorfestlegungen für falsch. Wir wollen keine teuren Pfadabhängigkeiten, die sich später als falsch erweisen. Volkswirtschaftliche Fehlinvestitionen müssen vermieden werden. Eine technologieoffene Forschungsförderung ist hier das beste Rezept, sie ist die beste Basis für einen Wettbewerb innovativer Technologien.
Mit Blick auf die nächste Legislatur sind die richtigen Schwerpunktsetzungen vorzunehmen. Dazu suchen wir frühzeitig den Dialog mit der Wirtschaft. Wir führen am 23./24. Mai den BMBF-Zukunftskongress „Energieoffensive 2030“ durch. Zu diesem möchte ich Sie hiermit im Namen von Frau Ministerin herzlich einladen. Wir freuen uns auf Ihre Ideen und Anregungen!
Die großen Themenfelder zeichnen sich für uns bereits ab:
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Innovationskraft der deutschen Wirtschaft ist die Voraussetzung für unseren Wohlstand von morgen.
Das BMBF versteht sich als Partner im Innovationsgeschehen. Mit unseren Angeboten wollen wir Forschung & Entwicklung in der Industrie mobilisieren. Dazu brauchen wir Offenheit und Kreativität.
Wir stehen zu unserer Verantwortung: Mit Forschung und Innovation wollen und werden wir die Energiewende zum Erfolg führen.
Vielen Dank