
des Bundesministeriums für Bildung und Forschung von Richtlinien zur Förderung der empirischen Bildungsforschung im Bereich „ursachenbezogener individueller Diagnostik und Intervention bei umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten“
Vom 16. Februar 2009
Lesen, Schreiben und Rechnen sind wichtige kulturelle Fähigkeiten, ohne die eine aktive und selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben kaum bzw. nur erschwert möglich ist. Zahlreiche Studien belegen die schlechteren Bildungs- und Berufschancen für Menschen mit Defiziten in diesen Leistungsbereichen. Eine evidenzbasierte Förderung der betroffenen Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen ist daher von zentraler Bedeutung für die Gewährleistung gleicher Möglichkeiten individueller Entfaltung. Allerdings sind Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten wie auch Fördermaßnahmen in den genannten Bereichen bislang noch unzureichend wissenschaftlich untersucht. Neben der symptomatischen Abklärung möglicher Lernstörungen ist insbesondere die Forschung zu individueller ursachenbezogener Diagnostik erforderlich, um weitere Schritte für die Förderung abzuleiten. Nur auf Grundlage einer präzisen Diagnostik können auch individuelle, ursachenbezogene und evidenzbasierte Maßnahmen zur Förderung abgeleitet werden. Vor der Implementierung eines Förder- oder Therapieprogramms wiederum sollte eine empirische Wirksamkeitsüberprüfung erfolgen. Die einzelnen empirisch zu überprüfenden Wirkfaktoren sollten sich dabei aus jenen Bereichen zusammensetzen, die auf der einen Seite Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten besondere Schwierigkeiten bereiten und/oder auf der anderen Seite besonders gut zur Kompensation dieser Schwierigkeiten geeignet sind. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind mögliche komorbide Auffälligkeiten bzw. Störungen (z. B. in den Bereichen Arbeitsgedächtnis, Aufmerksamkeit, Emotion, Motivation), deren Diagnose und Einbindung in die Förderung ebenfalls einen wichtigen Faktor für eine erfolgreiche Förderung betroffener Personen darstellt.
Diese BMBF-Fördermaßnahme zielt daher darauf ab, durch Forschungsprojekte empirisches Wissen zu generieren, das dazu beitragen kann, Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die von Störungen im Bereich des Lesens, Schreibens und Rechnens betroffen sind, eine individuelle, ursachenbezogene Diagnostik und evidenzbasierte Förderung zu ermöglichen.
Vorhaben können nach Maßgabe dieser Richtlinien, der BMBF-Standardrichtlinien für Zuwendungen auf Ausgaben- bzw. Kostenbasis und der Verwaltungsvorschriften zu § 44 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) durch Zuwendungen gefördert werden. Ein Rechtsanspruch auf Gewährung einer Zuwendung besteht nicht. Der Zuwendungsgeber entscheidet auf Grund seines pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel.
Es können Einzel- und Verbundprojekte gefördert werden, die je nach Forschungsfragestellung die nötige Interdisziplinarität aufweisen müssen, im thematisch begründeten Einzelfall aber auch auf eine Disziplin beschränkt sein können. Weiterhin können Querschnitt- oder Längsschnittstudien gefördert werden. Ebenso können Studien zur Entwicklung von ursachenbezogenen Diagnoseinstrumenten und evidenzbasierte Interventionsstudien zu Fördermethoden zur spezifischen Verbesserung der Lese-, Schreib- und Rechenleistung Gegenstand der Förderung sein.
Maßgeblich für alle Projekte ist die generelle Orientierung an einer fundierten und handhabbaren Umsetzung der Forschungsergebnisse für die Diagnose- und Förderpraxis von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten. Geschlechtsspezifische Aspekte sollen bei den Vorhaben nach Möglichkeit in angemessener Weise berücksichtigt werden.
Generell sind die WHO-Definitionen dieser Entwicklungsstörungen nach ICD 10 zugrunde zu legen.
Gefördert werden theorie- und hypothesengeleitete empirische Forschungsvorhaben insbesondere in den folgenden thematischen Bereichen:
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) beabsichtigt, im Rahmen ihrer Initiative zur Förderung der empirischen Bildungsforschung im Bereich „ursachenbezogener individueller Diagnostik und Intervention bei umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten“ eine Koordinierungsstelle einzurichten, die vor allem die folgenden Aufgaben übernehmen soll:
Nicht förderfähig sind:
Antragsberechtigt sind staatliche und nicht-staatliche Hochschulen sowie außeruniversitäre Forschungseinrichtungen.
Forschungseinrichtungen, die gemeinsam von Bund und Ländern grundfinanziert werden, kann nur unter bestimmten Voraussetzungen eine Projektförderung für ihren zusätzlichen Aufwand bewilligt werden.
Grundlegende Voraussetzung für eine Förderung ist ein empirisch-analytischer Zugang zu dem unter Nummer 2 skizzierten Gegenstandsbereich der Förderung. Die Projektleiterinnen/Projektleiter der Antrag stellenden Institution müssen durch einschlägige Expertise und entsprechende wissenschaftliche Vorarbeiten ausgewiesen sein sowie eine hohe Bereitschaft zur interdisziplinären Zusammenarbeit und zum fachlichen Austausch mit den Beteiligten an weiteren geförderten Forschungsvorhaben mitbringen.
Im Rahmen dieser Fördermaßnahme für die empirische Bildungsforschung werden sowohl Einzel- als auch Verbundprojekte gefördert. Im Fall von Verbünden wird eine gemeinschaftliche Bewerbung der Interessentinnen/Interessenten vorausgesetzt.
Jede Vorhabenbeschreibung muss die Unterschrift der/des Hauptverantwortlichen für das geplante Vorhaben tragen. Partnerinnen/Partner innerhalb einer Institution haben in geeigneter Weise eine Vereinbarung über ihre Zusammenarbeit zu treffen. Sofern unterschiedliche Institutionen beteiligt sind, haben alle Partnerinnen/Partner eines solchen Verbundes ihre Zusammenarbeit in einer Kooperationsvereinbarung zu regeln. Vor der endgültigen Förderentscheidung muss eine grundsätzliche Übereinkunft nach bestimmten, vom BMBF vorgegebenen Kriterien nachgewiesen werden. Einzelheiten können einem BMBF-Merkblatt – Vordruck 0110 – (http://www.foerderportal.bund.de) entnommen werden.
Projektleiterinnen/Projektleiter sollen sich – auch im eigenen Interesse – im Umfeld des national beabsichtigten Vorhabens mit dem EU-Forschungsrahmenprogramm vertraut machen. Sie sollen prüfen, ob das beabsichtigte Vorhaben spezifische europäische Komponenten aufweist und damit eine ausschließliche EU-Förderung möglich ist. Weiterhin ist zu prüfen, inwieweit im Umfeld des national beabsichtigten Vorhabens ergänzend ein Förderantrag bei der EU gestellt werden kann. Das Ergebnis der Prüfungen soll im nationalen Förderantrag kurz dargestellt werden.
Die Antragstellerinnen/Antragsteller verpflichten sich, die im Rahmen des Projektes gewonnenen Daten nach Abschluss des Projekts in weitergabefähiger Form einer geeigneten Einrichtung (z. B. dem Zentralarchiv für empirische Sozialforschung an der Universität Köln [ZA] oder einem Forschungsdatenzentrum) zur Verfügung zu stellen. Dort werden die Daten archiviert, dokumentiert und auf Anfrage der wissenschaftlichen Community zur Verfügung gestellt.
Um Forschungsergebnisse für Reformen im Bildungssystem nutzen zu können, ist eine allgemein verständliche Ergebnisaufbereitung erforderlich. Antragstellerinnen/Antragsteller verpflichten sich, die Ergebnisse ihrer Vorhaben außer für die Fachöffentlichkeit zusätzlich auch zur Veröffentlichung für ein breites bildungspolitisch interessiertes Publikum aufzubereiten. Diese Veröffentlichungen sollen u. a. bei dem zurzeit im Aufbau befindlichen Subportal „Empirische Bildungsforschung“ des BMBF eingestellt werden. Dieser Beitrag zur Verwertung/Öffentlichkeitsarbeit lässt die Regelungen der Besonderen Nebenbestimmungen für Zuwendungen des BMBF zur Projektförderung auf Ausgabenbasis (BNBest-BMBF 98) sowie die Nebenbestimmungen für Zuwendungen auf Kostenbasis des BMBF an Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben (NKBF 98) unberührt.
Antragstellerinnen/Antragsteller müssen sich ferner bereit erklären, Angaben über ihr Vorhaben in standardisiertem Format zur Veröffentlichung im genannten Internetportal zur Verfügung zu stellen.
Die Zuwendungen können im Wege der Projektförderung für einen Zeitraum von in der Regel bis zu drei Jahren als nicht rückzahlbare Zuschüsse gewährt werden. Die Höhe der Zuwendung pro Vorhaben richtet sich im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nach den Erfordernissen des beantragten Vorhabens.
In besonders begründeten Fällen, insbesondere bei Längsschnittstudien, kann eine zweite Förderphase von erneut bis zu drei Jahren beantragt werden. Ein Anspruch auf Förderung einer zweiten Phase besteht nicht.
Bemessungsgrundlage für Hochschulen, Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen und vergleichbare Institutionen sind die zuwendungsfähigen projektbezogenen Ausgaben (bei Helmholtz-Zentren und der Fraunhofer-Gesellschaft – FhG – die zuwendungsfähigen projektbezogenen Kosten), die individuell bis zu 100 % gefördert werden können.
Beantragt werden können Mittel für wissenschaftliches Personal, wissenschaftliche und studentische Hilfskräfte sowie für Sach- und Reisemittel und in Ausnahmefällen für Investitionen und weitere Positionen. Hierbei muss ein von der Grundausstattung der antragstellenden Einrichtung abgrenzbarer vorhabenspezifischer Bedarf vorliegen. In begründeten Fällen können auch Mittel für detailliert beschriebene Aufträge an Dritte beantragt werden.
Es wird besonderer Wert auf die Qualifizierung nicht promovierter Nachwuchswissenschaftlerinnen/Nachwuchswissenschaftler gelegt. Die Einstellung von Doktorandinnen/Doktoranden soll daher mit Personalstellen gefördert werden, in der Regel mit halben Stellen der geltenden Tarife für Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler (z. B. ½ TV-L E 13, ½ BAT IIa). Hierbei soll die wissenschaftliche Qualifizierung der Stelleninhaberinnen/Stelleninhaber so mit der Projektarbeit verschränkt werden, dass eine erfolgreiche Promotion parallel zur Mitarbeit im Forschungsprojekt sichergestellt wird. Neben der Beschreibung des Forschungsvorhabens sind daher Ausführungen dazu notwendig, wie die Projektarbeiten konkret mit den Qualifizierungsarbeiten der Nachwuchswissenschaftlerinnen/Nachwuchswissenschaftler verbunden werden sollen.
Das BMBF ist bestrebt, den internationalen Austausch auf dem Gebiet der empirischen Bildungsforschung zu verbessern. Daher können auch Reisemittel und weitere Mittel für internationale Kooperationen beantragt werden, wie z. B. für Besuche internationaler Konferenzen im In- und Ausland, Forschungsaufenthalte in Instituten des Auslands oder Einladung von Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftlern.
Das BMBF fördert den fachlichen Austausch und die Vernetzung der an den bewilligten Forschungsvorhaben Beteiligten. Zu diesem Zweck können Mittel für Reisen zu den Workshops und Symposien beantragt werden, die von der Koordinierungsstelle veranstaltet werden.
Bestandteil eines Zuwendungsbescheides auf Ausgabenbasis werden die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P) und die Besonderen Nebenbestimmungen für Zuwendungen des BMBF zur Projektförderung auf Ausgabenbasis (BNBest-BMBF98).
Bestandteil eines Zuwendungsbescheides auf Kostenbasis werden grundsätzlich die Nebenbestimmungen für Zuwendungen auf Kostenbasis des BMBF an Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft für FuE Vorhaben (NKBF 98).
Mit der fachlichen und administrativen Betreuung der Fördermaßnahme hat das BMBF seinen Projektträger beauftragt:
Projektträger im DLR
Empirische Bildungsforschung
Heinrich-Konen-Straße 1
53277 Bonn
Tel.: 0228-3821 784
Fax: 0228-3821 257
Ansprechpartnerin ist Frau Dr. Katharina Schwindt.
Es wird empfohlen, vor Antragstellung mit dem Projektträger Kontakt aufzunehmen. Dort sind weitere Informationen und Erläuterungen erhältlich.
Das Förderverfahren ist zweistufig angelegt.
In der ersten Verfahrensstufe sind dem Projektträger zunächst strukturierte Vorhabenbeschreibungen ab sofort bis spätestens 15. April 2009 in deutscher Sprache in schriftlicher Form auf dem Postweg sowie in elektronischer Form vorzulegen. Aus der Vorlage einer Vorhabenbeschreibung kann ein Rechtsanspruch nicht abgeleitet werden. Die Vorlagefrist gilt nicht als Ausschlussfrist. Verspätet eingehende Vorhabenbeschreibungen können aber möglicherweise nicht mehr berücksichtigt werden. Bei verspäteter Vorlage wird dringend die vorherige Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Projektträger empfohlen.
Bei Verbünden sind die Vorhabenbeschreibungen jeweils vom vorgesehenen Verbundkoordinator vorzulegen.
Bestandteil des Verfahrens ist eine fachliche Prüfung unter Einbeziehung von externen Gutachterinnen und Gutachtern. Die Vorhabenbeschreibungen müssen daher alle fachlichen Angaben enthalten, die eine abschließende gutachterliche Stellungnahme erlauben. Darüber hinaus gehende Dokumente werden nicht in die Begutachtung einbezogen. Die Vorhabenbeschreibungen dürfen einen Umfang von 15 Seiten für ein Einzelvorhaben und 20 Seiten bei Verbünden (Anlagen nicht mitgerechnet) nicht überschreiten. Die Vorhabenbeschreibungen sind in 15 Exemplaren (DIN A4, doppelseitig, 11 pt und 1 Exemplar einseitig und ungebunden als Kopiervorlage) und als pdf-Dokument auf CD-ROM vorzulegen. Das gedruckte Original der Vorhabenbeschreibung muss die Unterschrift der/des Hauptverantwortlichen für das geplante Vorhaben tragen.
Vorhabenbeschreibungen, die diesen Anforderungen und dem unten genannten Gliederungsschema nicht genügen, können nicht berücksichtigt werden.
Die vorgelegten Projektskizzen werden unter Einbeziehung unabhängiger externer Gutachterinnen/Gutachter mit ausgewiesener Expertise in empirischer Bildungsforschung und dem Bereich Lernstörungen nach folgenden Kriterien bewertet:
Auf der Grundlage der Bewertung werden dann die für eine Förderung geeigneten Projekte ausgewählt. Das Auswahlergebnis wird den Interessentinnen/Interessenten schriftlich mitgeteilt.
Die Vorhabenbeschreibungen sollen entsprechend dem nachfolgenden Gliederungsschema aufgebaut werden und Aussagen zu den folgenden Punkten enthalten:
Aus der Vorlage einer Vorhabenbeschreibung kann kein Rechtsanspruch auf Förderung abgeleitet werden.
In der zweiten Verfahrensstufe werden die Interessentinnen/Interessenten bei positiv bewerteten Vorhabenbeschreibungen aufgefordert, einen förmlichen Förderantrag vorzulegen, über den nach abschließender Prüfung entschieden wird.
Zur Erstellung von förmlichen Förderanträgen wird die Nutzung des elektronischen Antragssystems „easy“ dringend empfohlen (http://www.foerderportal.bund.de/).
Für die Bewilligung, Auszahlung und Abrechnung der Zuwendung sowie für den Nachweis und die Prüfung der Verwendung und die ggf. erforderliche Aufhebung des Zuwendungsbescheides und die Rückforderung der gewährten Zuwendung gelten die Verwaltungsvorschriften zu § 44 BHO sowie die §§ 48 bis 49a des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), soweit nicht in diesen Förderrichtlinien Abweichungen zugelassen sind.
Diese Förderrichtlinien treten mit dem Tag der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
Berlin, den 16. Februar 2009
Bundesministerium für Bildung und Forschung
Im Auftrag
Dr. Dorothee Buchhaas-Birkholz